Anastasija 02 - Der Rest war Schweigen
Leib?«
»Nein«, gab Nastja zu. »Und Ljoscha sagt, ich hätte auch kein Gewissen.«
»Der muß es ja wissen, dein Ljoscha«, brummte Knüppelchen, nachdem er nun seinen Dampf abgelassen hatte. »Ich frage mich, was Resnikow mit militärischen Objekten zu tun hat.«
»Er ist Kandidat der technischen Wissenschaften, das geht aus einem Gespräch zwischen Jerochin und Kostyrja hervor. Ich habe gehofft, Sie würden einiges über ihn herausbekommen.«
»Sie hat gehofft«, knurrte der Oberst. »Nachdem sie mich in wer weiß was hineingeritten hat. Ich wollte dir die Laune nicht verderben, aber es ist besser, ich sage dir die Wahrheit.«
»Offenbar ist es nichts Gutes.«
»Der Abwehrdienst hat sich bereits mit unserem Ministerium in Verbindung gesetzt. Sie haben sämtliche Unterlagen über Resnikow angefordert. Das Weitere kann man sich vorstellen: Zuerst kommt Resnikow an die Reihe, dann seine nähere Umgebung, also auch Jerochin, dann einer nach dem andern in Nahaufnahme. Das Jahr 1985 taucht auf, und damit auch die drei toten Kumpane von Jerochin. Jetzt ist nur noch eine kleine Anstrengung des Intellekts notwendig, und wir sind bei General Vakar. Den wird man dir zusammen mit Kostja Maluschkin direkt vor der Nase wegschnappen. Den Anweisungen des Ministeriums können wir uns nicht widersetzen. Aber in der Verwaltung sitzen zum Glück ein paar alte Hasen, die sofort verstanden haben, was mich so auf die Palme gebracht hat. Ich habe folgendes mit ihnen besprochen: Man wird die Unterlagen für die Abwehr sehr gewissenhaft, aber ohne allzu große Eile zusammenstellen. Zur Gewissenhaftigkeit sind wir verpflichtet, denn wenn wir etwas übersehen, d. h. ihnen etwas verheimlichen, und sie kommen selbst darauf, werden sie uns mit faulen Tomaten bewerfen und in aller Welt herumposaunen, daß die Miliz unfähig ist. Deshalb können wir uns hier keine Schwindeleien erlauben. Aber man wird sich, wie schon gesagt, mit der Abgabe der Unterlagen nicht beeilen, damit dir noch Zeit bleibt. Du hast diesen Vakar ja schon gepackt, er kann dir nicht mehr von der Angel gehen. Du bist und bleibst eben ein kluges Mädchen. Und wenn die ihn uns wegschnappen, werden sie gar nichts erreichen, und unser Kostja bleibt für immer und ewig ein unaufgeklärter Fall. Die Abwehr weiß vorläufig nichts von dem Mord, kann es aber jederzeit erfahren. Hast du alles verstanden?«
»Ja, ich habe verstanden«, nickte Nastja.
Sie kehrte zurück in ihr Büro, setzte Wasser auf und kochte sich einen Kaffee. Dann saß sie lange an ihrem Schreibtisch und starrte mit blinden Augen auf die mit Ölfarbe gestrichene Wand des Dienstzimmers, ab und zu nahm sie einen Schluck von dem dampfenden Kaffee. Sie brauchte den Schlüssel zu Vakars Geheimnis. Sie brauchte ihn so schnell wie möglich.
3
Wladimir Vakar begriff, daß er in Zeitnot geraten war. Die ihm von seiner Frau gesetzte Frist war fast abgelaufen, und er mußte eine schnelle Entscheidung treffen. Die Situation hatte sich grundlegend verändert. Jetzt hatte er keine Chance mehr, ungestraft zu bleiben, wenn er Jerochin umbrachte. Er würde ins Gefängnis gehen. Brachte er Jerochin nicht um, gab es zwei Möglichkeiten: Er konnte eine Zeugenaussage zu dem Mord an dem jungen Milizionär machen, und Jerochin würde im Gefängnis landen. Doch Jelena würde ihm auch dann keine Ruhe lassen, er würde weiterhin in der Hölle leben, und Tag für Tag würde es unerträglicher werden. Und früher oder später würde Igor aus dem Gefängnis entlassen werden. Und alles würde wieder von vorn beginnen.
Die zweite Möglichkeit war, Jerochin am Leben zu lassen und keine Zeugenaussage gegen ihn zu machen. Dann würde Jelena die Sache in die Hand nehmen, und alles würde noch schlechter ausgehen.
Er hatte drei Möglichkeiten, zwischen denen er wählen konnte.
Er konnte selbst in Gefängnis gehen.
Er konnte zulassen, daß Jelena ins Gefängnis ging.
Er konnte sein Leben in der Hölle fortsetzen . . .
4
Artjom Resnikow sah seine Gehilfen aufmerksam an.
»Habt ihr alles verstanden?« fragte er streng. »Bereitet euch auf die Übergabe der Ware vor. Diesmal handelt es sich um einen großen Posten. Fangt so bald wie möglich mit dem Training an, damit alles glatt geht.«
Surik und Kostyrja zogen ihre Mäntel im Flur an, Jerochin war allein im Zimmer zurückgeblieben. Er fing Artjoms fragenden Blick auf.
»Ich muß mit dir sprechen«, sagte er verlegen.
Resnikow schloß die Tür hinter den Gästen und kehrte zurück
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