Anastasija 05 - Die Stunde des Henkers
entnommen und die Vorgabe mit dem Resultat verglichen. Pawel Dmitrijewitsch war sehr zufrieden. Er begleitete den Mann und die Frau hinaus und bat Michail, noch ein wenig zu bleiben.
»Michail«, sagte er, »ich schlage Ihnen vor, alles Bisherige zu vergessen und ein neues Leben zu beginnen. Keine technischen Zeichnungen und Konstruktionen mehr, kein Ärger mit den Vorgesetzten, keine ewigen Versetzungen. Lassen Sie das alles hinter sich. Ich biete Ihnen ein Leben an, in dem Sie befreit sein werden von dem Damoklesschwert Ihrer unzulänglichen Ausbildung und Ihrer Nationalität, das jetzt ständig über Ihnen schwebt.«
»Und was muss ich dafür tun?«, fragte Michail.
»Wir werden Ihnen einen stillen, unauffälligen Posten beschaffen, denn nicht einmal wir können Sie vor der gesetzlichen Strafe für Schmarotzertum schützen. Aber ich verspreche Ihnen, dass es eine einfache, unaufwendige Arbeit sein wird, und vor allem wird sie keine besonderen Kenntnisse erfordern. Sie werden ausreichend freie Zeit haben, und manchmal, ich betone, nur manchmal, werde ich Sie im Zusammenhang mit Ihren ungewöhnlichen Fähigkeiten in dieser freien Zeit für bestimmte Aufgaben einsetzen. Von unserer Zusammenarbeit wird niemand außer uns beiden wissen. Wenn Sie sich also Sorgen um Ihren Ruf machen sollten, kann ich Ihnen versichern, dass es damit keine Probleme geben wird. Wir werden Ihre Arbeit sehr gut bezahlen. Sehr gut«, wiederholte Pawel Dmitrijewitsch bedeutungsvoll.
»Und was für Arbeit wird das sein?«, fragte Michail zaghaft.
»Ich sagte Ihnen doch, eine Arbeit, die ausschließlich mit Ihrer besonderen Gabe zusammenhängt. Ich muss Sie bitten, sich jetzt gleich zu entscheiden. Denken Sie nach, und dann sagen Sie mir, ob Sie annehmen oder ablehnen. Aber ich bitte Sie, bei Ihrer Entscheidung Folgendes zu bedenken: Wenn Sie ablehnen, werden Sie sich Ihr Leben lang dafür verachten, dass Sie sich Ihr Diplom praktisch erschlichen haben, dass Sie mit Ihrer Gabe nichts Besseres anzufangen wussten. Wenn Sie jedoch mit uns Zusammenarbeiten, werden Sie ein nützlicher Mensch sein, man wird Sie schätzen und respektieren. Sie sind ein besonderer Mensch, und Sie können stolz darauf sein. Und jetzt denken Sie nach, ich gehe uns einstweilen einen Kaffee kochen.«
Pawel Dmitrijewitsch entfernte sich in die Küche und ließ Michail allein zurück, dessen Kopf von all dem Neuen und Unerwarteten schwirrte, das seit dem gestrigen Tag auf ihn eingestürmt war. Einerseits irgendwelche undurchsichtigen Aufträge, die er erfüllen sollte, andererseits würde er, falls er annahm, nie mehr ein Konstruktionsbüro betreten müssen. Und dann das viele Geld, das man ihm versprach . . . Kurz, Michail Larkin dachte nicht lange nach, nicht mehr als zehn Minuten. Und bereits nach zwei Wochen verabschiedete er sich für immer von seinem Dasein als Ingenieur.
Und Pawel hielt Wort, er meldete sich schon sehr bald bei Larkin. Man zeigte Michail einen Mann, nannte ihm seinen Namen und bat ihn »ein wenig mit ihm zu arbeiten«. Michail tat alles, was man ihm aufgetragen hatte. Er lockte den Mann in ein Restaurant, brachte ihn dazu, seinen Aktenkoffer zu öffnen und ihm alle darin befindlichen Papiere zu zeigen. Michail musste sie lesen und einige Korrekturen vornehmen. Danach setzten sich zwei fremde Männer zu ihnen an den Tisch. Einer von ihnen hatte einen Fotoapparat dabei, und Michail fotografierte alle drei während eines freundschaftlichen Gesprächs, mit erhobenen Gläsern in der Hand. Zwei Tage später wurde eine Strafsache niedergeschlagen, bei der es um Unterschlagung und Bestechung in Millionenhöhe ging. Die Beweise erwiesen sich als nicht stichhaltig, und alle Verhafteten wurden wieder freigelassen. Michail war klar, dass dem Untersuchungsführer, mit dem er »gearbeitet« hatte, die Fotos einen großen Schrecken eingejagt hatten, denn sie zeigten ihn in feuchtfröhlicher Runde mit zwei großen Bossen der Schattenwirtschaft. Und einen Tag darauf überreichte Pawel Dmitrijewitsch Michail ein Kuvert mit einer Summe, von der er nicht zu träumen gewagt hatte.
Nachdem Michail sich davon überzeugt hatte, dass er sein angeborenes Talent Gewinn bringend einsetzen konnte, begann er zu experimentieren, da er noch unentdeckte Möglichkeiten in sich vermutete. Er scheute weder Zeit noch Mühe und widmete sich seiner neuen Beschäftigung mit ganzer Hingabe. Schon nach zwei Jahren war er ein wahrer Meister der Hypnose.
Die Aufgaben, die man ihm
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