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Anastasija 07 - Mit tödlichen Folgen

Anastasija 07 - Mit tödlichen Folgen

Titel: Anastasija 07 - Mit tödlichen Folgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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Alina?«
    »Ja. Sind Sie Inga?«
    »Ja, die bin ich«, bestätigte die Frau und starrte Korotkow an, ohne zu blinzeln, wovon ihm ein wenig mulmig wurde. »Der Untersuchungsführer hat uns bereits befragt. Was wollen Sie noch?«
    »Ich wollte mit Ihnen über Alinas Kindheit sprechen«, log Korotkow.
    Er konnte ihr schließlich nicht erklären, dass er mit ihr über ihren älteren Stiefsohn Imant reden wollte. Auf Imant würden sie ganz von selbst zu sprechen kommen, Hauptsache, erst einmal anfangen. Und zwar mit etwas Unverfänglichem.
    »Über ihre Kindheit? Wozu?«
    »Um uns ein Bild zu machen über ihren Charakter. Es heißt zum Beispiel, sie habe keine enge Freundin gehabt. Seltsam, nicht wahr? Wie kann das sein, dass eine junge Frau keine Busenfreundin hat? Womöglich wussten ihre Kollegen nur nichts davon, Sie dagegen, ihre Familie, wissen bestimmt mehr.«
    Korotkow wollte Inga schmeicheln, erreichte aber das Gegenteil. Die Augen der Frau funkelten zornig.
    »Ihre Familie? Alina war ihre eigene Familie. Sie hat uns verachtet, hielt uns für rückständig und unkultiviert, nicht ebenbürtig. Sie hielt sich immer für was Besseres.«
    »Warum sagen Sie denn so etwas«, versuchte Korotkow seine Ungeschicktheit wieder auszubügeln. »Alina hat immer sehr herzlich von Ihnen gesprochen, sie liebte Sie. Sie sollten nicht so . . .«
    »Woher wissen Sie das?«, fragte Inga misstrauisch. »Haben Sie sie etwa gekannt?«
    »Nein, ich kannte sie nicht. Aber Andrej Lwowitsch hat mir erzählt . . .«
    »Andrej Lwowitsch!« Inga fauchte verächtlich. »Dieser Lüstling! Dieser Regisseur! Was der Ihnen schon erzählt! Wenn er ein anständiger Mensch wäre, dann hätte er Alina geheiratet und sie nicht in diesen ekelhaften Filmen mitspielen lassen, noch dazu fast nackt. Er hat kein Gewissen, und sie auch nicht, denn sie hat ja mit ihm zusammengelebt und ihm erlaubt, dass er sie vor allen Leuten auszieht.«
    »Hören Sie, Inga, Alina ist immerhin gestorben, und zwar nicht einfach so, sie ist ermordet worden. Tut sie Ihnen denn gar nicht Leid?«
    »Leid? Ja, schon. Vielleicht.« Sie sah Korotkow irgendwie seltsam an. »Sie war mir nie nahe. Imant ja. Alois auch. Sie waren für mich wie eigene Söhne, sie haben mich geliebt und geachtet und mir gehorcht. Sich Rat bei mir geholt. Aber sie war mir immer fremd. Sie hat mich nach dem Tod ihrer Mutter nie angenommen. Sie hat mich gehasst.«
    »Aber warum denn, Inga? Warum glauben Sie das? Alina hat nie ein böses Wort über Sie gesagt.«
    »Genau!« Sie hob triumphierend den Finger. »Genau das ist es. Sie hat überhaupt nie ein Wort gesagt, nicht über mich und auch nicht zu mir. Sie hat mich gar nicht beachtet. Sogar als sie noch klein war, kam sie nie zu mir, um sich eine Schleife binden oder das Kleid zuknöpfen zu lassen. Einmal hab ich ihr Hilfe angeboten, hab gesagt, komm, ich helfe dir, da hat sie mich angesehen, als wollte sie mich mit ihrem Blick versengen. Nicht nötig, Tante Inga, hat sie gesagt, danke, ich mache das selbst. Höflich war sie, da ist nichts gegen zu sagen, aber innen drin eiskalt. Leer. Sie hatte keine Seele. Sie war uns allen fremd.«
    »Na schön, vielleicht war sie fremd«, gab Korotkow sich geschlagen, »aber auch ein Fremder tut einem doch Leid, wenn er so jung ums Leben kommt. Das ist doch ungerecht, oder nicht?«
    Inga begann überraschend zu weinen. Bitterlich wie ein Kind, den Kopf gesenkt und die Hände vorm Gesicht. Korotkow wartete geduldig, bis sie sich beruhigte.
    »Ich bin schuld, jetzt begreife ich, dass ich schuld bin.«
    Inga nahm die Hände von ihrem verquollenen, verweinten Gesicht; sie genierte sich offenkundig nicht vor dem Fremden.
    »Ich dachte, sie bringt gute Zensuren nach Hause, ist nie krank, schwänzt nicht die Schule, also ist alles gut. Alles in Ordnung. Ich wurde ins Haus geholt, um den Haushalt zu versorgen, Waldis wollte keine Kinder mehr, er hatte ja schon drei. Er hat mich zwar geheiratet, aber ich war trotzdem nur seine Haushälterin. Als er mich anbrüllte, ich solle nicht wagen, Sonjas Brillanten anzufassen, sie gehörten nur Alina, da erkannte ich meinen Platz in dieser Familie. Sonja, ja, die war seine Frau gewesen. Ich war nur seine Haushälterin, die bei ihm gemeldet war. Von der ganzen Familie hat nur Imant mich geliebt, nur er. Alois ging früh seiner Wege, war ständig beschäftigt, hat früh mit dem Geldverdienen angefangen, er war sehr selbständig. Und Alina . . . Sie hat mich gar nicht beachtet. Sie hat

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