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Anastasija 08 - Im Antlitz des Todes

Anastasija 08 - Im Antlitz des Todes

Titel: Anastasija 08 - Im Antlitz des Todes
Autoren: Alexandra Marinina
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dann leise aus der Wohnung schleichen. Selbst wenn er sie auf der Treppe eingeholt hätte, hätte sie noch eine Chance gehabt. Sie hätte um Hilfe rufen können . . . Aber jetzt? Sie hatte sich verraten, sie hatte den Argwohn des Psychopathen erregt.
    »Meine Mutter fühlt sich heute nicht gut.« Larissa versuchte, so ruhig wie möglich zu sprechen. »Ich muss sie anrufen und mich nach ihrem Befinden erkundigen. Sie ist schon sehr alt, und ich mache mir ständig Sorgen um sie.«
    Larissa fühlte plötzlich, dass sie schwach wurde und alles um sie herum sich zu drehen begann. Er hat mir etwas in den Wein getan . . . dachte sie. Oh mein Gott, wie einfach alles ist. Ich wollte davonlaufen, mich retten, aber in Wahrheit war ich bereits verloren. Ich hatte schon das Gift in mir . . .
    Larissa schwankte, zwei starke, muskulöse Arme hoben sie hoch und trugen sie zum Sofa. Ihr Bewusstsein schwand, aber es ging langsam. Sie konnte sich nicht mehr bewegen und nicht mehr sprechen, aber sie hörte und sah noch alles. Das geschminkte Gesicht mit den geschliffenen Zügen und den dünnen Augenbrauen kam ihr ganz nah. Sie spürte sogar Aliks Atem, der ihr seltsam frisch, rein und süß erschien.
    »So, meine Liebe«, hörte sie ihn an ihrem Ohr flüstern. »Du wirst jetzt sterben. Und das wird wunderbar sein. Du wirst sehen, dass es wunderbar ist. Ohne mich wärst du nie eines so wunderbaren Todes gestorben. Du hättest ein langes Leben voller Leiden und Krankheiten gelebt, du wärst in Schmerzen, Krämpfen und Gestank gestorben. Aber durch mich wirst du jung, schön und ohne alle Leiden sterben. Du darfst nicht glauben, dass der Tod schrecklich ist. Ich werde dir etwas geben, das dir sonst niemand auf der Welt geben kann. Ich werde dir zeigen, dass der Tod wunderbar sein kann. Du wirst sein lichtes Antlitz sehen. Nicht das hässliche, runzlige Antlitz einer Greisin mit grauem Zopf, sondern das lichte, von aller Pein erlöste Antlitz des ewigen Friedens. Deine Freundin Ljudmila wollte dieses Antlitz nicht sehen, sie war eine dumme, unwissende Kreatur, und als solche ist sie auch gestorben. Ich musste sie erwürgen. Sie hatte große Angst. Aber du hast keine Angst, nicht wahr? Dir geht es gut, du fühlst fast gar nichts mehr, du schläfst ein, du entfernst dich . . . Sieh mich an, sieh mir bis zum letzten Moment in die Augen, ich werde dich bis an die Schwelle begleiten, ich werde bis zum Ende bei dir sein.«
    Die Stimme wurde leiser und leiser, und Larissa begriff, dass sie starb. Jede Sekunde brachte sie dem Tod näher, jede Sekunde kam ihr vor wie ein Schritt, den sie gegen ihren Willen tun musste. Noch einen Schritt und noch einen . . . Aliks dunkle Augen waren ihr ganz nah, und mit erlöschendem Bewusstsein klammerte sich ihr erstarrter Blick an diese Augen»Solange sie diese Augen noch sah, war sie am Leben. Solange sie diesen Blick noch erkannte, war sie nicht tot. Sie durfte nicht aufgeben, sie musste mit ihrer ganzen Kraft kämpfen, vielleicht war in dem Wein gar kein Gift, sondern nur ein starkes Betäubungsmittel, dessen Wirkung bald wieder nachlassen würde. Sie durfte nicht aufgeben, sie musste durchhalten, vielleicht würde gleich alles vorüber sein. Gleich würde die Wirkung des Mittels nachlassen, und sie würde wieder zu sich kommen . . .
    Aber Larissa hoffte umsonst. In dem Wein war Gift.

Elftes Kapitel
    Zum Fundort der Leiche von Larissa Tomtschak fuhr wieder dasselbe Team: der Untersuchungsführer Olschanskij, der Gutachter Oleg Subow, der Gerichtsmediziner Gurgen Artaschesowitsch Ajrumjan, zwei Ermittlungsbeamte von der Bezirksmiliz und Anastasija Kamenskaja und Jura Korotkow von der Petrowka. Normalerweise kam so etwas nicht vor. Wenn ein Kriminalfall mehrere Opfer forderte, begaben sich jeweils die Beamten an den Tatort, die gerade Zeit hatten. Aber nachdem Konstantin Michailowitsch erfahren hatte, dass bei der Toten Papiere gefunden wurden, die auf den Namen Larissa Michajlowna Tomtschak lauteten, hatte er Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um wieder das alte Team einzusetzen.
    »Ich habe dieses Liebes- und Ehespektakel mit toten Frauenkörpern satt«, schrie er in den Telefonhörer. »Wenn wir an jeden Tatort andere Leute schicken, kommen wir nie auf einen grünen Zweig. Wollen Sie vielleicht, dass dieser Geistesgestörte halb Moskau unter die Erde bringt?«
    Hier übertrieb Olschanskij natürlich. Er hatte nicht den geringsten Grund zu der Annahme, dass das Ableben von Ljudmila Schirokowa, Ljuba
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