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Anastasija 08 - Im Antlitz des Todes

Anastasija 08 - Im Antlitz des Todes

Titel: Anastasija 08 - Im Antlitz des Todes
Autoren: Alexandra Marinina
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Polstern. Ihre Fingerspitzen stießen auf etwas Hartes. Sie ertastete den Gegenstand und zog ihn hervor. Sie hielt einen silbernen Amor mit Pfeil und Bogen in der Hand. Sie lächelte. Eine von Derbyschews Freundinnen muss ihn hier verloren haben, dachte sie. Ein hübscher, ungewöhnlicher Anhänger. So einen habe ich noch nie gesehen. Oder etwa doch? Larissa kam dieser Anhänger plötzlich bekannt vor, sie wusste jetzt, dass sie ihn tatsächlich schon einmal gesehen hatte.
    Sie drehte die kleine Silberfigur zwischen ihren Fingern und entdeckte auf der Rückseite eine Gravur. Im Zimmer war es nicht sehr hell, das Deckenlicht brannte nicht, nur eine Stehlampe und eine Wandleuchte, sodass Larissa die winzige, feine Aufschrift nicht entziffern konnte. Sie hielt sich den Anhänger näher an die Augen und erstarrte. »Von Wolodja für Mila, in Liebe«. Natürlich hatte sie diesen Anhänger schon gesehen, Mila hatte ihn auf Gena Leontjews Geburtstagsfeier getragen. Also ist sie hier gewesen, dachte Larissa. Darum hat der Untersuchungsführer so beharrlich nachgefragt, was Mila an der Metrostation Akademicheskaja gemacht haben konnte. Und ich dumme Gans habe geglaubt, dass sie sich mit Ljuba getroffen hat. Ich habe gewusst, dass die naive Ljuba irgendeinen Scharlatan aufsuchte und nachts zum Friedhof ging, um ihre Freundin zu verwünschen. Sie hat tatsächlich geglaubt, sie könnte Mila auf diese Weise töten. Aber als sie gemerkt hat, dass es so nicht funktioniert, hat sie den Entschluss gefasst, Mila mit ihren eigenen Händen umzubringen. Sie hat ihre Freundin angerufen und ihr vorgeschlagen, sich an der Akademicheskaja zu treffen, um ein wenig spazieren zu gehen. So habe ich mir das vorgestellt. Und nun? Hat Ljuba sie also gar nicht umgebracht? Aber wer dann? Wie ist Milas Anhänger in diese Wohnung gekommen, auf dieses Sofa? Was hat Mila hier gemacht? Eine blöde Frage. Dasselbe natürlich, was ich hier mache. Nur bin ich aus einem persönlichen Grund hier, während es bei ihr ein sexueller war. Sie war ein Flittchen, und deshalb musste sie sterben. Aber was tat das jetzt zur Sache? Wenn Mila an dem Abend ermordet wurde, an dem sie in dieser Wohnung war, dann musst du die Beine in die Hand nehmen und laufen, Larissa, laufen, so schnell du kannst. Du musst sofort zur Miliz gehen, ihnen diesen Anhänger zeigen und alles erzählen. Du wirst natürlich zugeben müssen, warum du hier warst, aber um deinen guten Ruf geht es jetzt nicht mehr, du musst nur so schnell wie möglich von hier verschwinden, damit es dir nicht genauso ergeht wie Mila . . .
    Auf der Schwelle erschien Alik in seiner eng anliegenden Hose aus dünnem, seidigem Leder und einer cremefarbenen Seidenbluse mit weiten Ärmeln.
    »Bitte sehr, Larissa.« Er reichte ihr ein Glas Weißwein auf einem kleinen Tablett. »Das ist deutscher Rheinwein. Ober bevorzugen Sie Rotwein?«
    »Nein, nein«, entgegnete Larissa schnell und nahm das Glas.
    Schnell austrinken, Kopfschmerzen vorschützen und die Flucht ergreifen. Oder lieber irgendwo anrufen und sich dann unter einem Vorwand aus dem Staub machen. Ich werde sagen, dass meine Mutter schwer krank geworden ist und dass ich dringend zu ihr fahren muss, dachte Larissa.
    Sie trank das Glas in einem Zug aus, stellte es auf den Tisch, steckte den Anhänger unauffällig in die Tasche ihres Rockes und erhob sich vom Sofa.
    »Ich müsste mal kurz telefonieren«, sagte sie entschieden. »Darf ich Ihr Telefon benutzen?«
    Alik reagierte seltsam.
    »Telefonieren?«, fragte er. »Mit wem?«
    »In einer dringenden Angelegenheit«, erklärte Larissa geduldig und noch völlig ohne Argwohn.
    »In welcher dringenden Angelegenheit?«
    Larissa blieb das Herz stehen. Schlagartig hatte sie begriffen. Es war also schon zu spät. Und sie hatte gedacht, dass Derbyschew hinter der Sache steckte. Aber in Wahrheit war es dieser liebenswürdige junge Mann. Derbyschew hatte mit alledem gar nichts zu tun. Alik lockte die Frauen, die dem begehrten Junggesellen auf die Pelle rücken wollten, in diese Wohnung und brachte sie um. Er war ein Wahnsinniger, ein Geisteskrankere Und sie, die Ärztin der Psychiatrie, hatte es nicht bemerkt. Sie war einem Psycho-tiker auf den Leim gegangen wie ein dummes kleines Mädchen. Natürlich würde er ihr nicht erlauben zu telefonieren, weil er fürchtete, sie würde seine Adresse nennen und jemanden um Hilfe rufen. Sie hätte in aller Ruhe den Wein austrinken müssen, abwarten, bis er wieder in der Küche war, und sich
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