Anastasija 08 - Im Antlitz des Todes
klar doch. Er hat lange herumgewitzelt und sich überlegt, wie die Neuigkeit seiner Tatjana so pikant wie möglich zu servieren wäre. Sag mal, Nastja, bist du krank?«
»Wie kommst du darauf? Sehe ich schlecht aus?«
»Du siehst bestens aus, aber du trinkst keinen Kaffee. Ich sitze schon seit einer geschlagenen Stunde bei dir, und in dieser Zeit hast du keine einzige Tasse getrunken. Was ist los?«
»Denkbar einfach, Herr Ermittler. Der Kaffee ist alle. Und neuen kann ich nicht kaufen, zusammen mit dem aromatischen braunen Pulver ist mir auch das Geld ausgegangen. Nun muss ich leiden.«
»Warum sagst du denn nichts? Stell den Wasserkocher an, ich bringe gleich Kaffee.«
»Und woher willst du den nehmen?«
»Ich werde welchen schnorren. Das soll nicht deine Sorge sein, meine Aufgabe als Ermittler ist es schließlich, zu suchen und zu finden. Im Notfall klaue ich jemandem welchen aus dem Schreibtisch.«
Nastja stellte den Wasserkocher an, holte aus dem Schreibtisch Tassen und Zucker, da läutete das Telefon.
»Anastasija Pawlowna, liebst du mich noch?«, fragte der unermüdliche Stassow mit fröhlicher Stimme.
»Leidenschaftlich«, entgegnete Nastja. »Ich grüße dich, Slawa.«
»Ich grüße dich. Korotkow hat mir eine tolle Geschichte erzählt. Könnte Stoff für einen Krimi sein. Oder lügt er?«
»Nein, es ist so, wie er sagt. Ehrenwort.«
»Welches Buch habt ihr denn gefunden?«
»›Dreh dich um und geh.‹«
»Ein schwarzer Hardcover-Band?«
»Nein, ein graublaues Taschenbuch. Interessierst du dich für Einzelheiten?«
»Ich nicht, aber Tatjana. Sie würde gern mit dir sprechen. Bist du sehr beschäftigt?«
»Stassow, für dich und deine Frau habe ich immer Zeit. Dich liebe ich ganz einfach, und Tatjana bin ich zudem verpflichtet. Sie hat mir schließlich geholfen, den Henker zu fassen. Gib sie mir bitte.«
»Guten Tag«, sagte Tatjana mit ihrer dunklen weichen Stimme.
»Guten Tag, Tanja. Wie gefällt dir dein Urlaub?«
»Besser als die Arbeit«, lachte Tatjana. »Sag mal, ist es wahr, dass die Ermordete ein hellgrünes Seidenkostüm und hochhackige Schuhe getragen hat?«
»Das ist in der Tat wahr. So wahr ich hier stehe.«
»Eine schöne, braun gebrannte Blondine?«
»Genau«, sagte Nastja erstaunt. »Wie kommst du darauf?«
»Korotkow hat es gesagt. Nastja, ich glaube, ich habe diese Frau gesehen.«
»Wo? Wann?«
»Am Montag, in der Metro. Sie hat neben mir gesessen und mein Buch gelesen, deshalb erinnere ich mich an sie. Aber zur Sicherheit müsste ich einen Blick auf ein Foto von ihr werfen. Oder auf die Leiche und ihre Kleidung, das wäre noch besser.«
»Bist du tatsächlich bereit, zum Leichenschauhaus zu fahren?«, fragte Nastja ungläubig. »Du hast immerhin Urlaub.«
»Warum denn nicht? Das Leichenschauhaus ist kein schlechterer Ort als andere. Aber vielleicht würde ich schon auf einem Foto sehen, dass es doch nicht sie war.«
Korotkow kam zurück, er hatte ein aus einem Blatt Papier gefaltetes Tütchen in der Hand, in das ihm gutherzige Kollegen je ein, zwei Löffel Kaffee abgezweigt hatten.
»Hier«, sagte er stolz und reichte Nastja das Tütchen, »ich habe an drei Stellen Erfolg gehabt. Und du zweifelst immer an meinen Fähigkeiten, undankbar wie du bist.«
»Ich habe noch nie an deinen Fähigkeiten gezweifelt. Wir trinken jetzt eine Tasse Kaffee und fahren los.«
»Wohin denn?«, fragte Korotkow mit finsterem Blick. »Ich war heute den ganzen Tag unterwegs, lass mich doch etwas Luft holen. Außerdem ist es bereits nach acht.«
»Wir fahren zu unserem Freund Stassow und seiner geliebten Frau Tatjana. Es ist nämlich gut möglich, dass Tatjana die Schirokowa ein paar Stunden vor ihrem Tod gesehen hat.«
»Das lasse ich mir gefallen! Ich brauche nur aus der Tür zu gehen, und schon passiert etwas Neues.«
* * *
Larissa Tomtschak und Anna Leontjewa kannten sich schon seit vielen Jahren, aber sie waren nie enge Freundinnen geworden. Es lag nicht etwa daran, dass etwas zwischen ihnen stand oder sie sich nicht mochten, es bestand einfach kein Grund für eine intimere Freundschaft. Sie telefonierten regelmäßig miteinander, es gab zahlreiche Anlässe dafür, da ihre Männer seit mehreren Jahren zusammenarbeiteten.
Strelnikows Frau Alla war ihre gemeinsame Freundin, allerdings nur bis zu der Zeit, als Strelnikow noch mit ihr zusammenlebte. Nachdem er sie verlassen hatte und überall mit Ljuba aufzutauchen begann, mussten Larissa und Anna sich umstellen. Alla mochten
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