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Anastasija 08 - Im Antlitz des Todes

Anastasija 08 - Im Antlitz des Todes

Titel: Anastasija 08 - Im Antlitz des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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sie beide, sie war eine kluge, reife Frau in ihrem Alter, während Ljuba, die fast zwanzig Jahre Jüngere, ihnen vorkam wie ein dummes Gör, mit dem man kein einziges vernünftiges Wort reden konnte.
    Für Larissa war die Situation besonders schwierig, weil Tomtschak und Strelnikow seinerzeit zwei benachbarte Datschengrundstücke gekauft hatten. Fast immer, wenn Larissa auf der Datscha war, traf sie Alla Strelnikowa und wartete bangen Herzens auf Fragen nach Wladimirs neuer Geliebter. Aber mehr noch fürchtete sie das, was hinter diesen Fragen stand. Wir beide waren so gute Freundinnen, schien Alla ihr jedes Mal sagen zu müssen, und jetzt hast du einfach die Seite gewechselt, jetzt empfängst du in deinem Haus meinen Mann mit seiner neuen Flamme. Schämst du dich wirklich nicht, mir in die Augen zu sehen?
    Larissa schämte sich sehr und war Alla grenzenlos dankbar dafür, dass sie nie Fragen stellte und auch keinerlei Anspielungen machte. Die beiden Frauen unterhielten sich über allgemeine Dinge, über das Leben schlechthin, über die politische Lage, über Fernsehsendungen, über die Liebesgeschichten von Bekannten und über das Einsalzen von Gurken und Kraut für den Winter. Alla Strelnikowa war zweifellos eine starke und ungewöhnliche Frau, die ihre wahren Gefühle für sich behalten konnte, um ihr Gegenüber nicht in peinliche Situationen zu bringen. Wladimir hatte sich vor zwei Jahren von ihr getrennt, und in all dieser Zeit hatten Larissa Tomtschak und Anna Leontjewa nicht aufhören können, sich darüber zu wundern, wie dieser Mann eine Frau wie Alla wegen Ljuba verlassen konnte. Ein Unterschied wie Tag und Nacht. Alla war eine ungewöhnliche Schönheit, eine von den Frauen, die mit den Jahren immer anziehender wurden, da die gelebten Jahre ihre Züge verfeinerten, ihnen ein trauriges Geheimnis und ein ironisches Lächeln ins Gesicht zeichneten. Alla war nicht nur schön und klug, sie hatte auch ausgezeichnete Manieren, man konnte sich in jeder Gesellschaft mit ihr sehen lassen, und sie kleidete sich sehr erlesen, mit Geschmack und Stil.
    Ljuba hingegen war, gelinde gesagt, sehr einfach. Hübsch und nett, ohne Zweifel, aber mit Alla konnte sie es keinesfalls aufnehmen. Sie war bei weitem nicht so schön wie sie und wusste sich nicht zu benehmen. Man konnte ihr jede Emotion, jeden Gedanken vom Gesicht ablesen, ob man es wollte oder nicht. Wenn die Freunde sich in früheren Zeiten zusammen mit ihren Frauen trafen, waren die Frauen stets gleichberechtigte Gesprächspartnerinnen. Sie wussten bestens über den Universitätsbetrieb Bescheid, während Ljuba nicht einmal den Unterschied zwischen einer Dissertation und einer Magisterarbeit kannte. Wenn sie versuchte, sich an den Gesprächen zu beteiligen, wirkte das nicht nur lächerlich, sondern manchmal ausgesprochen dumm. Zudem konnte es ihr einfallen, in einem legeren, schulterfreien Sommerkleid am Institut zu erscheinen. Wer bist du denn?, wollte man sie fragen. Wenn du dich für die Frau des Rektors hältst, dann sei bitte so freundlich und kleide dich entsprechend, schließlich sehen die Studenten dich an und nehmen sich ein Beispiel an dir. Und wenn du niemand bist, dann hast du hier auch nichts verloren.
    Die Damen lächelten insgeheim über Ljuba und verachteten sie, aber sie ließen sich natürlich nichts anmerken. Erstens waren sie gut erzogen, und zweitens hatten ihre Männer ein für alle Mal klargestellt, dass Strelnikow ihr Freund war und dass die Frauen sich zurückzuhalten hatten, zumal es nicht von Anstand und Feingefühl zeugte, sich in das Privatleben anderer einzumischen und sich Urteile darüber anzumaßen.
    Als die Frauen erfuhren, dass Ljubas Freundin Mila Schirokowa über Nacht den Platz an Strelnikows Seite eingenommen hatte, regte sich in ihnen zum ersten Mal ein leises Mitgefühl mit Ljuba. Ein Mitgefühl, das allerdings noch auf sehr dünnen, wackeligen Beinen stand, da mit Ljuba alles in bester Ordnung zu sein schien. Nicht umsonst war Mila allein nach Moskau zurückgekehrt. Offenbar hielt Ljuba etwas im Ausland fest, etwas, das stärker war als ihre Liebe zu Strelnikow. Ein Verhältnis mit einem reichen türkischen Geschäftsmann schien mehr als nahe liegend zu sein, zumal Mila diese Vermutung zwar nicht ausdrücklich bestätigte, aber auch nicht dementierte. Erst nach Ljubas Rückkehr klärte sich alles auf. Anna und Larissa machten die ungeliebte Ljuba sofort zum Objekt ihres ganzen Mitgefühls und ihrer Fürsorge. Für das, was dem

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