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Anastasija 08 - Im Antlitz des Todes

Anastasija 08 - Im Antlitz des Todes

Titel: Anastasija 08 - Im Antlitz des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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erwiderte Tomtschak, »allerdings nur sehr begrenzt. Soviel ich weiß, haben die beiden Frauen sich seit einem halben Jahr nicht mehr gesehen, auch nicht nach ihrer Rückkehr aus der Türkei. Insofern wird Ljuba Ihnen nicht viel über die letzten Lebensmonate ihrer Freundin erzählen können.«
    Es war, wie Korotkow angenommen hatte. Tomtschak versuchte ihm einzureden, dass Ljuba nichts wusste. Ihm war klar, dass sie Strelnikow gut kannte und vielleicht etwas über seinen Charakter und seine Gewohnheiten erzählen würde, das den Verdacht gegen ihn nicht nur erhärten, sondern womöglich vollends bestätigen würde.
    »Andererseits«, fuhr Tomtschak fort, »kennt sie Milas Charakter sehr gut, und in diesem Sinne könnte sie Ihnen sicher nützlich sein. Außerdem könnte Mila während ihres Aufenthaltes in der Türkei in irgendwelche Konflikte geraten sein, und auch darüber weiß Ljuba sicher Bescheid.«
    Nein, dachte Korotkow, ich habe mich getäuscht. Tomtschak versucht nicht, seinen Freund zu schützen, er bemüht sich nur um Logik und Folgerichtigkeit.
    »Eine letzte Frage, Wjatscheslaw Petrowitsch. Wie steht Alla Sergejewna Strelnikowa zu Milas Beziehung mit ihrem Mann?«
    »Sie steht überhaupt nicht dazu«, erwiderte Tomtschak schnell. »Das interessiert sie schon seit langem nicht mehr.«
    Die Antwort kam etwas hastig, dachte Korotkow. Hatte er auf die Frage gewartet und sich bereits eine Antwort zurechtgelegt?
    Es gab verschiedene Versionen über den Mordfall Ljudmila Schirokowa. Die erste Version zielte auf das Dreiecksverhältnis Strelnikow-Schirokowa-Sergijenko ab. Ljuba, die sich an ihrer Freundin gerächt haben konnte, war genauso verdächtig wie Strelnikow, wenn zu beweisen gelang, dass er vom lasterhaften Lebenswandel seiner Freundin erfahren hatte. Bei der zweiten Version ging man von Milas Bedenkenlosigkeit bei der Auswahl ihrer Sexualpartner aus. Die dritte Version schließlich basierte auf Milas Aufenthalt in der Türkei. Alle diese Versionen mussten überprüft werden. Und natürlich fehlte es dafür, wie immer, hinten und vorn an Leuten.
    * * *
    Der Herbst in der Umgebung von Moskau war immer schön, aber in diesem Jahr ganz besonders. Gewöhnlich sagte man in solchen Fällen, dass die Natur nicht mit Farben geizte, aber in diesem Jahr traf das nicht ganz zu. Die Natur hatte sich auf goldgelbe und purpurne Töne beschränkt, ein Teil des Laubes war noch grün, als wäre nicht schon Oktober, sondern immer noch August. Tomtschak verbrachte die Tage damit, entweder im Wald spazieren zu gehen oder im Schaukelstuhl auf der Veranda zu sitzen und ohne Sinn und Ziel den Himmel und die Bäume zu betrachten. Ihm war traurig zumute, alles erschien ihm aussichtslos. Er hätte in seiner Lage unbedingt einen Schuldigen gebraucht, um die Wut auf ihn richten zu können, das hätte ihn erleichtert. Aber es gab keinen Schuldigen, genauer, er konnte ihn nicht finden. Wer war schuld daran, dass alles so gekommen war? Wolodja Strelnikow? Nein, natürlich nicht. Man konnte von ihm nicht verlangen, dass er einer für ihn nicht mehr interessanten Arbeit nachging, nur weil seine Freunde seine Stellvertreter waren. Das wäre dumm und ungerecht. Ein Mann musste seinen Weg, seine Karriere frei wählen dürfen, ohne Rücksicht auf sentimentale Gefühle. Vielleicht war er ja selbst schuld? Aber worin bestand seine Schuld? Darin, dass er seinem Freund zur Seite gestanden hatte, als dieser ihn um Unterstützung bat?
    Er hätte nur zu gern einen Grund gefunden, seiner Frau Larissa die Schuld in die Schuhe zu schieben, aber auch das war unmöglich. Gerade Larissa hatte ihn ständig gewarnt und ihm prophezeit, dass alles genauso kommen würde, wie es nun tatsächlich gekommen war. Als Wissenschaftler hatte er sich selbst ins Abseits manövriert, zum Geschäftsmann hatte er es nicht gebracht, und die administrative Arbeit ging ihm so gegen den Strich, dass er gar nicht daran denken mochte. Tomtschak wusste genau, dass die Depression und das fruchtlose Verharren in Tatenlosigkeit vergehen würden, aber er wusste auch, dass ihm nichts anderes übrig bleiben würde, als wieder irgendeine administrative Arbeit anzunehmen, obwohl sich ihm bei diesem Gedanken innerlich alles sträubte. Und im Übrigen musste er so eine Arbeit überhaupt erst finden. Es war ja keinesfalls so, dass ständig das Telefon läutete und sich alle ausgerechnet um ihn, Tomtschak, rissen. Nein, er würde ganz im Gegenteil Klinken putzen und bitten gehen müssen,

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