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Anastasija 08 - Im Antlitz des Todes

Anastasija 08 - Im Antlitz des Todes

Titel: Anastasija 08 - Im Antlitz des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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brauchte ihn. Er verhielt sich immer so lange unverschämt und rücksichtslos, bis man ihm eine Grenze setzte. Dann besann er sich plötzlich und sagte so eindringliche und gefühlvolle Dinge wie eben, sodass alles sofort wieder in Ordnung zu kommen schien. Er beschuldigte sich selbst und bat um Verzeihung. Und dabei gelang es ihm irgendwie, sich so zu verhalten, dass Tomtschak sich schuldig fühlte. In der Tat, warum spielte er den Beleidigten, warum hatte er sich so in seinem Seelenschmerz vergraben? So verhielt man sich Freunden gegenüber nicht. Er hätte sofort zu Wolodja gehen und mit ihm sprechen müssen, dann hätte sich alles aufgeklärt. Er hätte den Fonds vielleicht gar nicht verlassen, sondern zusammen mit Gena den Karren noch so lange gezogen, bis Strelnikow sein neues Amt angetreten hätte. Aber er hatte sich verhalten wie ein Dummkopf, wie ein kleines Kind, dem man das Spielzeug weggenommen hat.
    Die Anspannung, in der Tomtschak sich seit dem Auftauchen seines Freundes befand, war von ihm abgefallen, aber nun verharrte er in peinlichem Schweigen. Die Leichtigkeit und die Freude, mit der die Freunde sich sonst begegneten, wollten sich einfach nicht einstellen. Slawa kaute freudlos an den Resten des weichen, saftigen Schaschliks auf seinem Teller und dachte daran, dass er an allem schuld war. Er hatte sich nicht gerade männlich verhalten, hatte den Gekränkten gespielt. Wolodja hatte Recht, ja, er hatte Recht in allem.
    Nach dem Essen räumten sie den Tisch ab und spülten das Geschirr.
    »Lass uns ein Lagerfeuer machen«, schlug Strelnikow plötzlich vor, »wie früher, in unserer Jugend.«
    Die beiden hatten in den frühen siebziger Jahren studiert, zu dieser Zeit waren alle berauscht von den modernen Barden und Liedermachern, man versammelte sich am Lagerfeuer und spielte ihre Songs auf der Gitarre nach. Damals war das alles wunderbar und sehr romantisch, aber jetzt erschien es Tomtschak etwas lächerlich und unangebracht. Aber Wolodja war sein Gast, er wollte ihm seinen Wunsch nicht abschlagen, deshalb ging er bereitwillig zu der Stelle des Grundstücks, wo der Feuerplatz lag.
    Die Nacht war kalt, dunkel und sehr still. Man hörte nur das Geräusch des Windes und das Knacken der Äste im Feuer. Die Freunde saßen schweigend auf Holzkisten, die Tomtschak aus dem Schuppen geholt hatte.
    »Am Montag ist Milas Beerdigung«, sagte Strelnikow endlich. »Ich brauche deinen Rat, Slawa.«
    »Inwiefern?«
    »Was meinst du, wird Ljuba zur Beerdigung kommen?«
    »Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich. Mila war immerhin ihre Freundin.«
    »Ich möchte ihr nicht begegnen. Ich denke, du verstehst mich.«
    »Was soll ich dir raten, Wolodja? Ihr habt euch trauen lassen, Mila und du, sie war nicht nur eine zufällige Geliebte für dich. Du kannst ihrem Begräbnis nicht einfach fernbleiben. Was gibt es da zu besprechen?«
    »Weißt du wirklich nicht, ob Ljuba kommen wird?«
    »Nein. Möchtest du es in Erfahrung bringen?«
    »Ja. Wenn du es für mich herausfinden könntest, wäre ich dir sehr dankbar.«
    »Ich kann es nicht herausfinden, hier gibt es kein Telefon.«
    »Ich habe ein Handy, hast du das vergessen? Wie sieht es aus, Slawa, rufst du an?«
    »Versteh doch, Wolodja, das ist sinnlos. Was ändert es für dich, wenn sich herausstellt, dass Ljuba erscheinen wird? Du musst sowieso an der Beerdigung teilnehmen. Und es wird sich kaum jemand finden, der versuchen wird, Ljuba zu überreden, dass sie wegbleibt, um dir einen Gefallen zu tun. Die Tatsache, dass dir eine Begegnung mit ihr peinlich wäre, kann für sie kein Argument sein. Sie wird sowieso tun, was sie für richtig hält. Wenn sie sich von Mila verabschieden will, kann ihr das niemand verbieten.«
    »Aber es würde mich erleichtern, wenn ich wüsste, dass sie nicht kommen wird. Ich bitte dich, Slawa.«
    Tomtschak nahm das Handy, das Strelnikow ihm hinhielt, und rief Larissa in Moskau an. Es stellte sich heraus, dass Ljuba einstweilen nicht vorhatte, zur Beerdigung ihrer Freundin zu gehen, obwohl sie es sich bis zum Montag auch noch anders überlegen konnte.
    »Eins wüsste ich gern«, sagte Tomtschak verärgert, als er Strelnikow das Handy zurückgab, »was hast du dir eigentlich dabei gedacht, diese ganze Geschichte anzuzetteln? Hast du darauf gehofft, dass Ljuba nicht mehr aus der Türkei zurückkommen wird? Dir musste doch klar sein, dass sie früher oder später wieder auftauchen und erfahren würde, dass du ihre Freundin zum Traualtar geführt hast. Du

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