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Anastasija 08 - Im Antlitz des Todes

Anastasija 08 - Im Antlitz des Todes

Titel: Anastasija 08 - Im Antlitz des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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mir?«
    »Ja, ich glaube dir. Bist du der Meinung, dass Ljuba den Mord begangen hat?«
    »Es spielt keine Rolle, welcher Meinung ich bin. Ich habe Mila jedenfalls nicht umgebracht. Und es darf auf keinen Fall geschehen, dass Ljuba sich als die Mörderin erweist. Verstehst du mich?«
    Ja, Tomtschak verstand sehr gut. Sollte Mila von einem x-beliebigen Fremden ermordet worden sein, hatte Strelnikow nichts zu befürchten. Aber wenn er als derjenige dastand, der selbst eine Situation provoziert hatte, die zu einem Mord führte, konnte von einem neuen Amtsantritt natürlich keine Rede mehr sein. Und wenn Strelnikow sein neues Amt nicht antreten konnte, würde es auch keine Stellen für Slawa Tomtschak und Gena Leontjew geben. Deshalb musste man alles tun, um Ljuba als Verdächtige auszuschließen. Denn niemand außer ihr konnte den Mord an Mila Schirokowa begangen haben.
    »Ich verstehe dich, Wolodja«, sagte Tomtschak langsam. »Ich hoffe, dass auch Gena verstehen wird. Und unsere Frauen ebenfalls. Du kannst dich auf uns verlassen. Wir werden dich nicht im Stich lassen.«
    So musste es zwischen Freunden sein. Keine Gekränktheiten und Missverständnisse, kein Weiberkram, keine falschen Sentimentalitäten. Ein Freund war in Not und brauchte Hilfe. Und er würde diese Hilfe bekommen.

Viertes Kapitel
    Es gelang ihr einfach nicht, den Anschluss an die Realität wieder zu finden. Die Menschen wollten alle etwas, sie sprachen, waren irgendwohin unterwegs, aber Ljuba konnte den Sinn dahinter nicht begreifen. Jeden Tag versuchte sie, zu sich zu kommen, aber es war unmöglich. Mila war gestorben. Und sie, Ljuba, hatte sie umgebracht. Das kann nicht sein, sagte sie sich immer wieder, ich kann das nicht getan haben. So etwas gibt es nicht. Es ist unmöglich, einfach unmöglich. Und trotzdem habe ich es getan.
    Vor den Eltern musste sie ihr Gesicht wahren, und sie gab sich allergrößte Mühe. Am meisten bedrängte sie natürlich ihre Mutter.
    »Du bist immer noch da?«, hatte sie mit ehrlichem Erstaunen gefragt, als sie zwei Tage nach Ljubas Rückkehr abends von der Arbeit nach Hause kam. »Ich habe gedacht, du wirst wieder bei Wolodja wohnen. Warum bist du nicht bei ihm? Habt ihr euch zerstritten?«
    »Nein, wir haben uns nicht zerstritten«, erwiderte Ljuba matt. »Kann ich denn nicht eine Weile zu Hause wohnen? Was ist daran so außergewöhnlich? Oder störe ich euch?«
    Die Mutter sah sie besorgt an.
    »Was ist passiert, Ljuba? Hast du dich von ihm getrennt? Hat er dich schlecht behandelt? Sag mir die Wahrheit.«
    »Es ist überhaupt nichts passiert. Lass mich bitte in Ruhe. Ich möchte ihn eine Weile nicht sehen.«
    »Ich verstehe«, sagte die Mutter, »du hast einen neuen Freund. Hast du ihn in der Türkei kennen gelernt? Warum erzählst du mir nichts?«
    »Ich habe keinen neuen Freund, Mama, lass doch endlich diesen Unsinn. Ich will Wolodja im Moment einfach nicht sehen. Kannst du das denn nicht verstehen?«
    Die Mutter seufzte gekränkt und ging in die Küche, das Abendessen zubereiten. Der Vater, ein Berufsoffizier, fragte Ljuba nicht nach Strelnikow, ihm hatte es von Anfang an nicht gefallen, dass seine Tochter bei einem verheirateten Mann wohnte, es beunruhigte ihn nur, dass Ljuba seit ihrer Rückkehr aus dem Ausland keiner Arbeit mehr nachging. Er war noch vom alten Schlag und hielt es für unzulässig, dass jemand tatenlos zu Hause herumsaß.
    »Wann fängst du wieder zu arbeiten an?«, hatte er gleich am ersten Tag nach Ljubas Rückkehr gefragt.
    »Arbeiten . . .?«
    Die Frage des Vaters hatte sie verwirrt. In der Tat, sie musste sich wieder eine Arbeit suchen. Wahrscheinlich musste sie wieder im Hotel Rusitsch anfangen. Der Direktor hatte ihr versprochen, sie nach ihrer Rückkehr wieder einzustellen und sogar das Gehalt zu erhöhen, wenn sie tatsächlich ein Praktikum in einem guten Touristenhotel absolviert haben würde. Aber daraus war ja nichts geworden. Und außerdem wussten dort alle über die Sache mit Strelnikow Bescheid. Die einen würden Mitleid mit ihr empfinden, die anderen Schadenfreude . . .
    »Papa, ich habe ein halbes Jahr lang ohne einen einzigen freien Tag gearbeitet, ich muss mich erst einmal ausschlafen.«
    »Aber du unterbrichst damit deine Dienstzeit.«
    Der Vater lebte immer noch in alten Vorstellungen, Begriffe wie Dienstzeit, Gewerkschaft, Arbeitsbuch hatten für ihn noch ungebrochene Gültigkeit.
    »Nichts wird unterbrochen. Hast du noch nie von versetzter Arbeitszeit gehört? Man arbeitet

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