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Anathem: Roman

Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Erklärung für die Tatsache, dass der Verstand instinktiv erkennt, welche Ausgänge plausibel genug sind, um Anlass zur Sorge zu geben.«
    »In dem Punkt gebe ich dir recht«, sagte ich.
    Aber Arsibalt war geknickt – enttäuscht von mir, weil ich kampflos aufgegeben hatte. »Vergiss nicht, dass das Ganze im Zusammenhang mit Saunt Evenedrik aufkam«, sagte Arsibalt, »einem Theor,
der die erste Hälfte seines Lebens mit der Arbeit an exakten Berechnungen verbrachte, die sich auf Aktionsprinzipien in verschiedenen Arten von Konfigurationsräumen bezogen. Ich glaube nicht, dass er es rein poetisch meinte, als er behauptete, das menschliche Bewusstsein sei fähig …«
    »Jetzt mach uns bloß nicht den Hunderter!«, schnaubte Jesry.
    Arsibalt erstarrte, sein Mund blieb offen stehen, sein Gesicht lief rot an.
    »Es genügt erst einmal, das Thema angeschnitten zu haben«, entschied Orolo. »Wir werden es hier nicht lösen – und mit leerem Magen erst recht nicht!«
    Lio, Tulia und Ala, die den Hinweis verstanden hatten, verabschiedeten sich und machten sich auf den Weg in die Küche. Ala warf Jesry einen eisigen Blick über die Schulter zu, bevor sie sich zu Tulia beugte, um eine Bemerkung zu machen. Ich wusste genau, worüber sie sich beschwerte: Jesry war derjenige gewesen, der das Argument mit der Fülle von Ausgängen überhaupt erst aufgebracht, angesichts von Arsibalts Versuch, es weiterzuentwickeln, jedoch kalte Füße bekommen und einen Rückzieher gemacht, ja Arsibalt sogar verspottet hatte. Ich versuchte, Ala zuzulächeln, was sie aber nicht bemerkte. Es passierte einfach zu viel gleichzeitig. Am Ende stand ich da und lächelte wie ein Idiot ins Leere.
    Arsibalt begann, Jesry durch den Kreuzgang zu verfolgen, während er weiter über diesen Punkt diskutierte.
    »Um wieder zum Ausgangspunkt zurückzukommen«, fuhr Orolo fort, »warum machst du dir so viele Sorgen, Erasmas? Tust du nichts Produktiveres, als dir rosafarbene, Nervengas furzende Drachen vorzustellen? Oder hast du ein besonderes Talent dafür, mögliche künftige Entwicklungen durch den Hemnraum hindurch zu verfolgen – und zwar, wie es scheint, zu beunruhigenden Ausgängen?«
    »Bei der Beantwortung dieser Frage könntest du mir helfen«, bemerkte ich, »indem du mir sagst, ob du mit dem Gedanken spielst zu gehen.«
    »Ich habe fast die ganze Apert extramuros verbracht«, sagte Orolo mit einem Seufzer, als wäre er schließlich aufgespürt worden. »Ich hatte erwartet, Ödland vorzufinden. Ein kulturelles und intellektuelles Beinhaus. Aber dem war nicht ganz so. Ich ging in Spulos. Und sie gefielen mir! Ich ging in Bars und geriet in einigermaßen interessante Gespräche mit Leuten. Dards. Ich mochte sie. Manche
waren ziemlich interessant. Und das sage ich nicht aus der Sicht eines Forschers, der ein Insekt unter dem Mikroskop betrachtet. Sie sind mir im Gedächtnis haften geblieben – Charaktere, an die ich mich immer erinnern werde. Eine Zeitlang war ich ziemlich eingenommen davon. Dann hatte ich eines Abends eine besonders lebhafte Diskussion mit einem Dard, der an Klugheit jedem in diesem Konzent ebenbürtig war. Und gegen Ende kam irgendwie heraus, dass er glaubte, die Sonne drehe sich um Arbre. Ich fiel aus allen Wolken und versuchte, ihn davon abzubringen. Er machte sich über meine Argumente lustig. Das erinnerte mich daran, wie notwendig sorgfältige Beobachtung und theorische Arbeit sind, um etwas so Grundlegendes zu beweisen wie die Tatsache, dass Arbre sich um die Sonne dreht. Wie sehr wir in der Schuld derer stehen, die uns vorausgegangen sind. Und das brachte mich zu dem Schluss, dass ich letztlich auf der richtigen Seite des Tors gelebt hatte.« Er hielt einen Moment inne, während er zu den Bergen blinzelte, als überlegte er, ob er mir auch den nächsten Teil erzählen sollte. Schließlich fing er einen erwartungsvollen Blick von mir auf und machte eine kleine Geste der Kapitulation. »Bei meiner Rückkehr fand ich ein Paket alter Briefe von Estemard«, sagte er.
    »Wirklich?«
    »Ungefähr ein Mal pro Jahr hatte er sie von Blys Koppie abgeschickt. Natürlich wusste er, dass man sie bis zur nächsten Apert in Gewahrsam nehmen würde. Er berichtete mir von Beobachtungen, die er mithilfe eines Teleskops gemacht hatte, das er dort selbst gebaut und für das er unter anderem den Spiegel von Hand geschliffen hatte. Gute Ideen. Interessant zu lesen. Wenn auch sicher nicht die Qualität von Arbeit, die er hier produziert

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