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Anathem: Roman

Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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hatten, wenn wir nach der Abendglocke noch draußen waren.
    »Ich kann dich überhaupt nicht sehen«, sagte ich.
    »Umso besser. Hauptsächlich Beulen und blaue Flecken.«
    »Hast du mit den Thalern trainiert?«
    »Das wäre viel ungefährlicher. Nein, ich habe mit Leuten trainiert, die genauso ungeschickt sind wie ich. Die Avot aus dem Klingenthal schauen zu und lachen sich tot.«
    »Tja, ich hoffe, du teilst genauso aus, wie du einstecken musst.«
    »Auf einer bestimmten Ebene wäre das zufrieden stellend«, räumte er ein, »aber in den Augen meiner Lehrer würde ich damit nicht glänzen.«
    Ich fand es komisch, mit einem leeren Plastikviereck zu reden, deswegen schaltete ich das Licht aus und saß mit ihm im Dunkeln. Lange Zeit. Und dachte dabei über Orolo nach, ohne über ihn zu reden.
    »Warum bringen sie dir das Kämpfen bei?«, fragte ich. »Ich dachte, sie hätten diesen Markt monopolisiert.«
    »Da hast du geradewegs eine ziemlich interessante Frage angeschnitten, Raz«, krächzte er. Seine Stimme war ganz heiser geworden. »Ich weiß die Antwort noch nicht. Habe gerade erst so ein paar Ideen.«
    »Tja, meine innere Uhr spielt verrückt, ich werde die ganze Nacht wach sein, und die Bücher, die man mir dagelassen hat, sind unlesbar. Meine Freundin ist mit Jesry durchgebrannt. Also sitze ich mit dem größten Vergnügen hier und höre mir deine Ideen an.«
    »Was für Bücher haben sie dir dagelassen?«
    »Einen Mischmasch.«
    »Unwahrscheinlich. Es muss einen roten Faden geben. Den musst du vor deinem ersten Messale herausfinden.«
    »Das Wort hat Jesry auch schon benutzt. Ich habe versucht, es zu analysieren.«

    »Kommt von der Verkleinerungsform eines protoorthischen Wortes mit der Bedeutung plane Fläche, auf der Essen serviert wird.«
    »Also so viel wie ›kleiner Tisch‹ …«
    »Eher ›kleines Essen‹. Eine bedeutende Tradition hier, wie sich herausgestellt hat. Hier läuft es wirklich anders als in Edhar, Raz. Die Art und Weise, wie wir gegessen haben – alle zusammen im Refektorium, jeder hat sein eigenes Essen herumgetragen und sich hingesetzt, wo er Lust hatte -, dafür haben sie auch ein Wort, allerdings kein sehr schmeichelhaftes. Das gilt als rückständig und chaotisch. Nur Fids und ein paar komische, asketische Orden machen das so. Hier dreht sich alles um Messalen. Die Teilnehmerzahl beträgt maximal sieben. Das gilt als die Höchstzahl von Personen, die man so um einen Tisch platzieren kann, dass jeder etwas hört und sich nicht ständig Grüppchen zu Nebengesprächen abspalten.«
    »Es gibt also irgendwo einen Speisesaal mit jeder Menge Tische für sieben Personen?«
    »Nein, das wäre zu laut. Jedes Messale findet in einem kleinen Privatraum statt – der Messallan heißt.«
    »Also ist die Refektoriumsküche von einem Ring von Messallanen oder so etwas Ähnlichem umgeben?«
    Lio schmunzelte über meine Naivität. Allerdings nicht auf hämische Weise. Er war bis vor ein paar Wochen im gleichen Zustand der Unwissenheit gewesen. »Raz, du machst dir keine Vorstellung, wie reich die hier sind. Es gibt kein Refektorium – keine zentrale Küche. Alles besteht aus Dotaten und Kapitelhäusern.«
    »Sie haben aktive Dotate? Ich dachte, die wären abgeschafft worden …«
    »Bei den Reformen nach der Dritten Verheerung«, sagte er. »Stimmt. Aber du weißt doch, wie Shufs Dotat von den RAF ausgestattet wurde? Und nun stell dir einen Konzent mit Hunderten solcher Häuser vor – jedes davon größer und schöner als das von Shuf. Und von den Kapitelhäusern will ich erst gar nicht anfangen.«
    »Ich komme mir jetzt schon wie ein Hinterwäldler vor.«
    »Wart’s nur ab.«
    »Es gibt also eine separate Küche…« Ich verstummte, außerstande, einen so aberwitzigen Gedanken zu fassen.
    »Eine separate Küche für jeden Messallan – in der jeweils nur vierzehn Essen zubereitet werden.«
    »Ich dachte, du hast sieben gesagt.«

    »Die Servitoren müssen auch etwas essen.«
    »Was ist ein Servitor?«
    »Das sind wir!« Lio lachte. »Wenn sie dich herauslassen, wirst du einem älteren Fraa oder einer älteren Suur – deinem Doyn – zugeteilt. Du begibst dich ein paar Stunden vorher zu dem Dotat oder Kapitelhaus, das deinem Doyn zum Messale zugewiesen ist, und bereitest zusammen mit den anderen Servitoren das Essen zu. Wenn die Vesperglocke läutet, erscheinen die Doyns und setzen sich zu Tisch, und die Servitoren bringen das Essen. Wenn du nicht mit Geschirr hantierst, stehst du mit dem

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