Anatomien
eher über praktische Dinge Sorgen. Sie freut sich, mithilfe von Computergrafiken zeigen zu können, dass das neue Gesicht nicht einfach eine makabre Maske des Spendergesichts ist, sondern etwas völlig Neues, weil die Haut des Spenders über die Knochen des Empfängers gezogen wird. „Jetzt denken die Leute nicht mehr gleich an die Horrorvisionen aus Science-Fiction-Filmen“, sagt sie. Eine fast noch größere Herausforderung bedeutet die Frage, wie lange Immunsuppressiva wirken, also jene Medikamente, die dafür sorgen sollen, dass das neue Gesicht nicht abgestoßen wird. Mögliche Empfänger werden darauf untersucht, ob sie mit der körperlichen Beanspruchung durch zahlreiche Operationen und die damit verbundenen Medikamente klarkommen werden. Nicht allen gelingt das: Der Neuseeländer Clint Hallam, der bei einem Kreissägenunfall eine Hand verlor, erhielt auf operativem Wege seine Hand zurück, die aber abgestoßen wurde, sodass sie wieder abgenommen werden musste. Einige Jahre später erhielt erdie erste Handtransplantation. Nach gut zwei Jahren verzichtete er freiwillig auf die Einnahme der Immunsuppressiva, und wieder musste ihm die Hand amputiert werden.
Auch was den Spender angeht, stellen sich ethische Fragen. Wer spendet eigentlich sein Gesicht? Jemand, der so altruistisch ist wie ein Organspender, oder ein Spinner, der dadurch unsterblich werden will, dass ein anderer nach seinem Tod sein Gesicht trägt? Wie viel muss der Empfänger über das Leben des Spenders wissen? Die Diskussion gewann an Brisanz, als bekannt wurde, dass Dinoires Spender Selbstmord begangen hatte.
Und schließlich sollte man nicht vergessen, dass eine Gesichtstransplantation zwar eine beeindruckende medizinische Leistung, aber im Gegensatz zu einer Herztransplantation keine lebensrettende Maßnahme ist. Eine sorgfältige Abwägung ist nötig, denn Hauttransplantationen, Schönheitsoperationen oder psychologische Behandlungen könnten eine Alternative sein. Die Öffentlichkeit sollte jedenfalls verstehen, dass es bei der Transplantation nicht darum geht, dem Empfänger ein normal aussehendes Gesicht zu verleihen, sondern wichtige physiologische Funktionen wie die Beweglichkeit des Kiefers wiederherzustellen. Und diejenigen, die davon träumen, sich eines Tages im Rahmen einer Schönheitsoperation ein Idealgesicht verpassen zu lassen, seien an Galtons Entdeckung erinnert: Schönheit ist etwas ziemlich Durchschnittliches.
Gehirn
Albert Einstein, der in den Augen vieler der größte Naturwissenschaftler aller Zeiten und in den Worten J.
B.
S. Haldanes der größte Jude seit Jesus war, starb am frühen Morgen des 17.
April 1955 in seinem Haus in Princeton. Dr. Thomas Harvey vom Princetoner Krankenhaus führte die Autopsie durch und stellte als Todesursache ein gerissenes Aneurysma der Hauptschlagader fest. Im engsten Kreis fand eine kurze Trauerfeier statt. Dann wurde Einsteins Körper verbrannt. Weniger als vierzehn Stunden waren seit seinem letzten Atemzug vergangen.
Allerdings wurde nicht sein ganzer Körper zu Asche verbrannt (die aus Angst vor Trophäenjägern an einem geheimen Ort verstreut wurde). Am frühen Sonntagmorgen hatte Harvey aus eigenem Entschluss und ohne die Familie um Erlaubnis zu fragen Einsteins Gehirn aus dem Kopf entfernt, in dem es sich 76 Jahre lang befunden hatte. Er wollte es untersuchen.
Er spritzte Formalin in die Arterien und legte das Organ dann in eine konservierende Lösung. Auf den ersten Blick war das Gehirn nichts Besonderes. Es wurde sorgfältig vermessen und fotografiert und dann in 240 nummerierte Scheiben zerschnitten. Viele von ihnen wurden in noch dünnere Scheiben geschnitten und in eine zelluloseartige Substanz eingelegt, damit man sie unter dem Mikroskop betrachten konnte. Harvey hat zahlreiche Scheiben offenbar an befreundete Wissenschaftler weitergegeben. Andere behielt er für sich. Ein Arzt in Chicago erhielt angeblich eine Scheibe als Weihnachtsgeschenk. Ein japanischer Mathematikprofessor und Einstein-Andenkensammler kaufte ein Stück. Ein Journalist stöberteHarvey 1978 in Wichita auf und fand die übrigen Teile von Einsteins Gehirn in Einmachgläsern in einem Pappkarton, auf dem der Name einer Apfelweinmarke stand.
Einige Teile von Einsteins Gehirn sind inzwischen seit über 50 Jahren in den Händen der Wissenschaft. Was haben wir über die körperliche Manifestation der Genialität gelernt? Harvey hatte versprochen, die Ergebnisse seiner eigenen Forschung zu
Weitere Kostenlose Bücher