Anbetung
elegantesten Restaurants von Manhattan grundsätzlich nur zehn Cent springen lassen.
Zu Zeiten von John D., also während der Weltwirtschaftskrise, bekam man für zehn Cent im Automatenrestaurant allerdings noch eine Zeitung plus ein Mittagessen. Inzwischen bekommt man für einen Vierteldollar bloß eine Zeitung von der Sorte, die kein Mensch lesen will, außer er ist Sadist, Masochist oder ein unerträglich einsamer Jammerlappen, der verzweifelt versucht, in den Kontaktanzeigen die wahre Liebe zu finden.
»Vielleicht«, sagte Terri, »war dieser Pilzmann nur auf der Durchreise und hat sich wieder auf die Socken gemacht, kaum dass sein Teller leer war.«
»Ich hab so eine Ahnung, dass er noch hier rumhängt.«
»Schaust du, was mit ihm los ist?«
»Wenn ich ihn finden kann.«
»Brauchst du meinen Wagen?«, fragte sie.
»Vielleicht für zwei Stunden.«
Zur Arbeit gehe ich zu Fuß. Für längere Strecken habe ich ein Fahrrad. In besonderen Fällen benutze ich das Auto von Stormy Llewellyn oder das von Terri.
Nicht wenige Dinge entziehen sich meiner Kontrolle: die unendlich vielen Toten mit all ihren Bedürfnissen, die Bodachs, die prophetischen Träume. Wahrscheinlich wäre ich schon längst auf sieben verschiedene Arten verrückt geworden – eine für jeden Tag der Woche –, wenn ich mein Leben nicht in jedem Bereich vereinfachen würde, über den ich eine gewisse Kontrolle habe. Meine Verteidigungsstrategien: kein Auto, keine Lebensversicherung, nicht mehr Kleidungsstücke, als ich unbedingt brauche – hauptsächlich T-Shirts, leichte Baumwollhosen und Jeans –, kein Urlaub an exotischen Orten, keine großartigen Ambitionen.
Terri schob ihre Autoschlüssel über den Tisch.
»Danke«, sagte ich.
»Aber fahr damit keine toten Leute in der Gegend rum. Okay?«
»Die Toten brauchen keine Mitfahrgelegenheit. Die können erscheinen, wann sie wollen und wo sie wollen. Sie gehen durch die Luft. Sie fliegen.«
»Es geht bloß darum – wenn du mir nachher erzählst, dass ein Toter in meinem Auto gesessen hat, dann vergeude ich einen ganzen Tag damit, die Polster zu schrubben. So was ist mir einfach zu gruselig.«
»Und wenn es sich um Elvis handelt?«
»Das ist was anderes.« Terri steckte sich den Rest der Dillgurke in den Mund. »Wie geht es eigentlich Rosalia?« Sie meinte Rosalia Sanchez, meine Vermieterin.
»Heute Morgen war sie sichtbar.«
»Wie schön für sie.«
7
Die Green Moon Mall steht an der Green Moon Road zwischen der Altstadt von Pico Mundo und ihren modernen westlichen Ablegern. Das gewaltige Einkaufszentrum mit seinen sandfarbenen Mauern ist im Stil der örtlichen Adobe-Bauten gehalten, so als handelte es sich um das Heim einer Familie riesenhafter Indianer mit durchschnittlich zwölf Metern Körpergröße.
Trotz dieses merkwürdigen Versuchs, eine zur Umgebung passende, wenngleich zutiefst unlogische Architektur zu schaffen, werden die Kunden hier in Pico Mundo genauso erfolgreich zu Starbucks, Gap, Donna Karan und Crate & Barrel gelockt wie in Los Angeles, Chicago, New York und Miami.
In einer Ecke des weitläufigen Parkplatzes – und damit ziemlich weit vom Einkaufszentrum entfernt – befindet sich Tire World. Hier ist der Charakter der Architektur eindeutig verspielter.
Über dem einstöckigen Gebäude erhebt sich ein Turm mit einem riesigen Globus. Dieses träge rotierende Modell der Erde scheint eine Welt voll Frieden und Unschuld zu verkörpern, die verloren ging, als die Schlange im Garten Eden auftauchte.
Wie der Saturn hat dieser Planet einen Ring, der allerdings nicht aus Eiskristallen, Gestein und Staub besteht, sondern aus Gummi. Der Globus ist umgeben von einem Reifen, der nicht nur rotiert, sondern sich auch vertikal hin- und herbewegt.
Fünf Hebebühnen sorgen dafür, dass der Kunde nicht lange warten muss, um neue Reifen montieren zu lassen. Die Mechaniker tragen saubere Uniformen. Sie sind höflich. Sie lächeln gern. Sie sehen glücklich aus.
Auch Autobatterien kann man hier erwerben, Ölwechsel wird ebenfalls angeboten. Dennoch stellen Reifen den Kern des Geschäfts dar.
Der Ausstellungsraum ist mit dem bezaubernden Duft von Gummi gesättigt, das auf die Straße wartet.
An jenem Dienstagnachmittag schlenderte ich zehn, fünfzehn Minuten ungestört durch die Regalreihen. Einige der Angestellten grüßten mich, aber keiner versuchte, mir irgendetwas zu verkaufen.
Ich schaue von Zeit zu Zeit vorbei, und sie wissen, dass mich das Reifenleben
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