anderbookz Short Story Compilation
herausgeputzt hatten. Für einen kurzen Moment, als er auf den Mars hinunterstarrte, verspürte er eine kindliche Enttäuschung darüber, daß all dies dort unten ganz bestimmt nicht auf ihn wartete, und dann lächelte er versonnen. Man sollte nie daran zweifeln, daß derartige Kinderträume nicht doch etwas bewirken konnten - immerhin hatten sie auf die eine oder andere Art dazu beigetragen, daß er sich jetzt an diesem Ort befand, oder etwa nicht?
In diesem Moment erhob sich der Sandsturm.
Er blies von den brettharten Wüsten und Steppen und kroch zu Thomas’ Mißfallen über den Planeten ähnlich einer Schutzplane, die über eine Baustelle gedeckt wird. Dort unten rasten Winde mit mehreren hundert Stundenkilometern Geschwindigkeit über die Marsoberfläche und schleuderten wallende, gelbweiße Sandwolken in den Himmel. Ein Sturm, der wie eine solide Wand alles niederwalzte.
»Sehen Sie das, Thomas?« fragte die Stimme des Commanders in Thomas’ Ohren.
»Ja«, antwortete Thomas düster. »Ich sehe es.«
»Scheint ziemlich schlimm zu sein.«
Während sie das Geschehen verfolgten, radierte der Sturm langsam und gnadenlos die gesamte sichtbare Oberfläche des Planeten aus. Die kleineren Details verschwanden zuerst, die Senken und die Rillen und die Geröllfelder, dann kamen die größeren Erscheinungen an die Reihe. Die Polkappen verschwanden. Schließlich war auch die Spitze des Olympus Mons - des höchsten Berges im gesamten Sonnensystem - nicht mehr zu sehen.
»Nun, das wär’s dann«, meinte der Commander trübsinnig. »Alles dicht. Dann wird das heute wohl nichts mit der Landung.«
»So eine Scheiße!« explodierte Thomas und spürte, wie sein Magen sich vor Enttäuschung und Wut verkrampfte. Dabei war er so nahe gewesen!
»Passen Sie auf, was Sie sagen, Thomas«, warnte der Commander. »Der Kanal ist offen.« Was bedeutete, daß er die unendlich große Zuhörerschar zu Hause nicht mit irgendwelchen Kraftausdrücken schockieren durfte. Oh, welch ein Horror, das wollte er natürlich nicht!
»Wenn dieses Unwetter nur zwei Stunden gewartet hätte, dann hätten wir dort landen können ...«
»Seien Sie froh, daß das Unwetter es so eilig hatte«, sagte der Commander besänftigend. »Denn dann hingen Sie jetzt dort unten fest und könnten überhaupt nichts tun, während Ihnen der Sand bis zu den Ohren steigt. Der Wind wird in einzelnen Böen bis zu zweihundert Stundenkilometern schnell. Ich wäre nicht gerade scharf darauf, ein solches Unwetter dort unten zu erleben, Entspannen Sie sich, Thomas. Wir haben jede Menge Zeit. Sobald das Wetter aufklart, gehen Sie runter. Ewig kann es ja nicht dauern.«
Fünf Wochen später legte der Sturm sich endlich.
Es waren harte Wochen für Thomas, der vor aufgestauter Energie fast zu bersten schien wie ein Tiger im Käfig. Er reagierte überempfindlich auf seine Umgebung, störte sich an dem durchdringenden, säuerlichen Menschengeruch, an dem leicht metallischen Geschmack der Atemluft. Er kam sich vor, als lebte er in einer Fabrik für Klettergerüste, überall gebogene und gerade Röhren und enge Durchgänge, umschlossen von Metallwänden, die man von jedem Punkt aus sehen konnte. Zum ersten Mal während der langen Monate dieser Mission hatte er einen schweren Anfall von Klaustrophobie.
Doch der wahre Feind war die Zeit. Thomas war sich schmerzhaft darüber im klaren, daß die unaufhaltsame Uhr der Himmelsmechanik gnadenlos die Sekunden fraß ... daß schon in Kürze das optimale Startfenster für den Rückflug zur Erde offen stünde und daß sie zu diesem Zeitpunkt ihre Rückreise antreten müßten, wenn ihnen eine Rückkehr nicht für immer verwehrt bleiben sollte. Ob der Sturm nun nachgelassen hätte oder nicht, ob Thomas nun die Gelegenheit bekommen hätte, seine wahren Fähigkeiten zu beweisen oder nicht - sobald sich das Startfenster öffnete, müßten sie sich auf den Weg machen.
Ihnen blieb weniger als eine Woche Zeit im Mars-Orbit, und der Sandsturm tobte immer noch.
Das Warten zerrte an den Nerven aller. Thomas konnte insbesondere Johnboys manische Energieschübe nur schwer ertragen. Immer öfter schnauzte er Johnboy während der Mahlzeiten und der »Freistunde« wegen Nichtigkeiten an, bis der Commander ihn beiseite nehmen und ihm eindringlich raten mußte, sich endlich zusammenzureißen. Thomas murmelte etwas, das wohl eine Entschuldigung sein sollte, und der Commander musterte ihn scharf und meinte: »Die Zeit reicht dicke aus, alter Junge. Machen
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