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Anderer Welten Kind (German Edition)

Anderer Welten Kind (German Edition)

Titel: Anderer Welten Kind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Ehmer
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Seite geschaut hatte, und zog sie mit sich fort. Sie entfernten sich mit großen Schritten. Vollkommen düpiert und gedemütigt blickte Christian ihnen nach und schlich dann in die Klasse zurück. Für den Rest des Vormittags waren Malskat und Ricky vergessen und er versuchte, verbissen einen Weg zu finden, Helga zu erklären, dass seine Frage nichts mit ihnen zu tun gehabt hätte, überhaupt nichts, obwohl es genau das war.
    Nach der Schule verschwand Helga so schnell, dass Christian keine Gelegenheit mehr hatte, mit ihr zu sprechen. Es hatte fast den Anschein einer Flucht vor ihm. Er wollte sich für seinen Auftritt entschuldigen, wusste gleichzeitig nicht, wie er das bewerkstelligen sollte. Stefan wartete am Eingang der Klasse auf ihn und gemeinsam gingen sie die große Freitreppe mit dem dunkelbraun glänzenden, hölzernen Geländer und den ausgetretenen steinernen Stufen hinunter. Stefan bemerkte Christians Bedrücktheit und er fragte, was er habe. Christian schüttelte nur mit dem Kopf. Stefan wartete ab. Er hatte die Szene auf dem Schulhof nicht mitbekommen, aber es kam nichts. An der schmiedeeisernen Schulhoftür mit dem Rad und dem Schwert verabschiedeten sie sich, ohne sich noch einmal anzuschauen. In Stefan kochte Wut hoch.
    Wenig später schlich Christian, mehr denn er ging, mit gesenktem Kopf die Königstraße hinunter in Richtung Fleischhauerstraße. Alle Vorfreude und Spannung waren aus ihm gewichen. Er war deprimiert. Er schob das Fahrrad, achtete nicht auf die Passanten, die ihm schimpfend auswichen. Wie konnte er sich nur so gehen lassen? Er hatte Helga verletzt und sich gleichzeitig lächerlich gemacht. Sie würde ihn jetzt zum Teufel schicken, das war sicher. Was war er blöd! Aber die Frage war ihm so plötzlich gekommen, er hatte überhaupt keine Zeit gehabt, sie abzuwägen. Sie war aus ihm herausgeplatzt. Die Angst kroch plötzlich in ihm hoch.
    Oh, Gott, dachte er, ich möchte Helga nicht verlieren. Plötzlich erinnerte er sich, wie es ohne sie war, wie er durch die Welt gestolpert war, unzufrieden, schüchtern, ohne Selbstbewusstsein, wie sie ihm die Tür geöffnet hatte, sich selbst ein bisschen zu mögen. Er hatte begonnen, sich durch sie zu sehen, und das, was er sah, begann ihm langsam und noch in äußerst kleinen Dosierungen zu gefallen. Aber diese Sicht, die sie ihm ermöglichte, nicht mehr nur aus sich herauszuschauen, mit all seinen Unsicherheiten und Zweifeln, sondern als der, den sie sah und erlebte, war mehr, als er jemals zuvor über sich zugelassen hatte. Das sollte alles vorbei sein?
    „Lieber Gott, lass es nicht vorbei sein“, flüsterte er und es kam ihm nicht einmal in den Sinn, dass er den lieben Gott eigentlich längst aus seinem Programm gestrichen hatte.
    Sollte er zu Michael gehen, ihr dort alles erklären? Aber was sollte er ihr erklären? Er hatte keine Idee, wie er den falschen Zungenschlag lösen könnte, der in den Beteuerungen seiner Liebe zu ihr läge. Seine Zweifel zu äußern, käme einer Bankrotterklärung gleich, dafür hätte sie überhaupt kein Verständnis. Wieso konnte er nicht sein wie sie? Sie sagte: „Ich hab dich lieb und du bist mein Freund.“ Punkt. Er musste sich immer überprüfen und misstrauisch hinterfragen, keine Situation mit ihr konnte er vollkommen genießen. Es war zum Verrücktwerden!
    Er saß in der Falle. Er hatte sich blitzsauber selbst hineinmanövriert. Vielleicht sollte er doch zu Michael gehen, jetzt gleich, von sich aus Schluss machen, ihr zuvorkommen, das hätte den Vorteil, nicht abserviert zu werden. Das ließe sich leichter aushalten. Er könnte sich dann einreden, aus Ehrlichkeit gehandelt zu haben. Christian, die ehrliche Haut, die aus lauter Ehrenhaftigkeit den großen Verzicht zelebriert, und in ein paar Jahren würde er es vielleicht sogar selbst glauben. Was aber, wenn sie nur von seinem Auftritt angewidert war, wenn sie an Trennung überhaupt nicht dachte? Dann hätte er sich selbst ausgehebelt.
    Abzuwarten schien ihm plötzlich die einzige vernünftige Reaktion zu sein, er würde ja sehr schnell merken, wie sie sich morgen ihm gegenüber verhielte. Dass seine Einsicht, nicht überstürzt zu handeln, gepaart war mit seiner Angst vor ihr und der nicht zu unterschätzenden Möglichkeit eines Laufpasses mit Michael als Zeugen, das mochte er sich nicht eingestehen. Er brauchte Zeit.
    Er hatte nicht bemerkt, dass er an der Fleischhauerstraße vorbeigegangen war und nun an der Ecke Hüxstraße genau vor dem Eiscafé

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