Angel 01 - Die Engel
murmelte etwas wie: » Das Arschloch krieg ich noch. Ich werde ihm so eine verpassen, dass er nach hinten fassen muss, um sich die Nase zu putzen.«
Schließlich stand die Gang auf und torkelte nach draußen. Stan atmete auf. Er hatte sich in letzter Zeit irgendwie seltsam gefühlt, und er wollte sowieso nicht in eine Schlägerei mit solchen Idioten verwickelt werden. Es war ja auch nichts Ernstes, dachte er. Nur ein paar Gedächtnislücken. Manchmal war er plötzlich irgendwo und wusste nicht, wie er dorthin gekommen war oder was er in den vergangenen Stunden getan hatte. Der Arzt hatte ihm gesagt, dass das ziemlich weit verbreitet sei, oder zumindest nicht allzu selten. Trotzdem wären ein paar Schläge auf den Kopf momentan bestimmt nicht besonders gut.
Um halb elf trank er sein letztes Bier aus, rief dem Barmann einen Abschiedsgruß zu und verließ das Pub.
High Holborn war hauptsächlich ein Geschäftsviertel und um diese Zeit wie ausgestorben. Auf der anderen Straßenseite hockte im Eingang des Restaurants My Old Dutch ein Obdachloser herum. Er war von krabbelnden Fliegen bedeckt, einige schwirrten sogar wie ein lebender Heiligenschein um seinen Kopf. Er versuchte gar nicht, sie zu verscheuchen, sondern ließ sie freiwillig in Mund und Nase kriechen.
Stan schauderte und wedelte ein paar Fliegen weg, die seinem Kopf zu nahe kamen. Dann ging er Richtung Shaftesbury Avenue, wo er sich in einem griechischen Restaurant noch einen Kaffee holen wollte. Als er an der Drury Lane vorbeikam, traten drei Männer aus der Gasse und versperrten ihm den Weg.
» Was wollt ihr?«, fragte Stan.
» Dich!«, erwiderte Den grinsend.
Stan wich zurück, riss sein Handy aus der Tasche und wollte die beiden Knöpfe drücken, die man brauchte, um Hilfe zu rufen. Ein Fuß schoss vor und schleuderte das Telefon auf die Straße.
» Das wird euch noch leidtun«, knurrte Stan. » Das ist Staatseigentum.«
» Wenn ich mit dir fertig bin, wirst du dir um solche Kleinigkeiten keine Gedanken mehr machen.«
Jetzt, wo er aufrecht stand, war Den ein wirklich großer Mann. In den dicken Stiefeln war er bestimmt ein Meter neunzig groß. Die beiden anderen waren kleiner, aber beide kräftig gebaut. Stan schätzte, dass es sich hier sozusagen um die Mafia von Tilbury handelte. Solche Gruppen gab es in jeder Kleinstadt. Vor ein paar Monaten hatte er in Billingsgate einige Leute verhaftet, nachdem sie in ein Geschäft eingebrochen, den beiden Wachhunden mit einem Hammer die Schädel eingeschlagen und dem Ladenbesitzer auf dem Verkaufstresen die Arme gebrochen hatten, weil er kein Schutzgeld zahlen wollte. Stan hatte sie letztendlich wieder laufenlassen müssen, weil der Ladenbesitzer sich weigerte, sie zu identifizieren. Sie hatten dem Mann gedroht, seine Enkel aus der Schule abzuholen, wenn er Anzeige erstattete, woraufhin er aufgab und nicht mehr mit der Polizei zusammenarbeiten wollte. Stan konnte ihm keinen Vorwurf machen. Die Polizei konnte die Familie des Mannes nicht ewig beschützen. Von solchen Mafiabanden konnte die Gesellschaft nur erlöst werden, wenn ein gutmütiger Bürger zu weit getrieben wurde, sich ein Gewehr besorgte und die Mistkerle wegpustete.
» Das solltet ihr besser nicht tun«, sagte Stan fest. » Ihr könntet echt Ärger kriegen.«
Er trat auf die Straße und holte sich sein Handy zurück. Als er sah, dass es kaputt war, steckte er es in die Tasche.
» Da wirst du dich nicht drum kümmern müssen«, erklärte Den, » denn du wirst dann schon im Krankenhaus liegen.«
Stan holte aus und wollte ihn am Kiefer treffen, aber Stoppelkinn hatte offenbar mal geboxt, denn er wich dem Schlag mühelos aus. Eine dicke Faust landete an Stans Schläfe, und als der Schmerz durch seinen Schädel schoss, wurde tief in ihm etwas geweckt. Als er den Kopf schüttelte, um das Schwindelgefühl loszuwerden, hatte er einen dieser Blackouts, die in letzter Zeit manchmal einsetzten.
Den war mit seinem Schlag sehr zufrieden und grinste, als er sah, wie Stan rückwärts taumelte.
» Jetzt lachst du nicht mehr, was, Bulle?«, krähte er.
Dann sah er, wie Stan sich aufrichtete, und bemerkte, dass die Augen des Polizisten sich verändert hatten. Er stand jetzt gebückt, ein wenig wie eine Krabbe. Und sein Lächeln war furchteinflößend.
» Nicht lachen?«, fragte Stan. » Ich könnte mich tot lachen.«
» Machen wir ihn fertig«, fauchte einer der anderen und stürmte vor, ganz heiß darauf, seine Männlichkeit zu beweisen.
Stans Hand
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