Angela Merkel – Die Zauder-Künstlerin (German Edition)
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Was Steinbrück da an ihr so sehr wertschätzte, das sucht Angela Merkel in Wahrheit auch bei ihren Gegenübern: Echtes Vertrauen schenkt sie nur jenen, die in vielem so sind wie sie selbst. Sie investiert gleichsam auf Basis, ja ihres Selbstvertrauens und ihrer Selbstsicht. Bestes Beispiel dafür ist Merkels Vertrauensverhältnis zu Anette Schavan, der kürzlich wegen Plagiats-Vorwürfen gegen ihre Doktorarbeit zurückgetretenen Bundesbildungsministerin. Wie nahe sie sich standen, wurde, typisch Merkel, erst in den acht Minuten sichtbar, die beide vor den Kameras Anfang Februar Schavans Rücktritt bekannt gaben – ein Moment seltener Wärme im ansonsten so kühlen Politik-Geschäft. Da standen zwei Frauen mittleren Alters, die einander als Gefährtinnen, nicht als Rivalinnen betrachteten, und das über mehr als ein Jahrzehnt. Beide unprätentiös bis zur Farblosigkeit, beide lieber respektierte Expertinnen als scharfzüngige Ideologinnen. Und beide stets verschwiegen, diskret, loyal. Kein Wunder, dass dieser Abschied Merkel besonders naheging. Manch ein Journalist, der dabei war, wollte hinterher einen feuchten Schimmer in den Augen der Kanzlerin erkannt haben.
Was sie in Anette Schavan gefunden hatte, verlangt Angela Merkel auch von ihren engsten Beratern im Kanzleramt. Die wissen sehr genau, was sie können, aber sie halten sich im Hintergrund. Sie plaudern nicht aus dem Nähkästchen. Die meisten von ihnen erklären lieber »Sachverhalte« als die politische Strategie der »Chefin«, wie sie Merkel nennen. Und sie alle arbeiten hart. Das wird erwartet. Den Dauer-Rekord in dieser Disziplin hält vermutlich der ehemalige Regierungssprecher Uli Wilhelm. Auf einer der letzten Merkel-Reisen vor seinem Abschied an die Spitze des Bayerischen Rundfunks erzählte er: Wenn Merkel oft genug nach einem 14-Stunden-Tag ins Bett gegangen sei, habe er selbst nicht selten noch ein, zwei Stunden Aufträge abgearbeitet, Notizen ausgeschrieben, Telefonate erledigt und sei schließlich mit den Kommentar-Auszügen der Regionalblätter ins Bett gegangen.
Der heutige Bundesbank-Präsident Jens Weidmann diente Merkel fast sechs Jahre lang als wirtschaftspolitischer Berater und internationaler Gipfel-Verhandler. Er erinnert sich, wie auf dem ersten Höhepunkt der Finanzkrise, nach dem Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers, die Regierungen weltweit »fassungslos, in heller Aufregung« gewesen seien. Er und seinesgleichen in den wichtigsten Hauptstädten der Welt hätten rund um die Uhr Kontakt gehalten; mehrfach habe er aus dem Kinderzimmer seiner Tochter Telefon-Schaltkonferenzen mit seinen Unterhändler-Partnern der G-7-Staaten geführt, Milliarden hin und her gewogen. Im April 2009 verpasst Weidmann fast die Kommunion des Mädchens wegen einer Kanzler-Reise.
Merkel geht vor. Immer. Zu jeder Tages- und Nachtzeit. Auch das ist ein Preis für das Vertrauen. Wer ihn zahlt, gehört dazu, aber viel Lob darf man nicht erwarten. Damit geht Angela Merkel eher sparsam um. Nicht kritisiert, ist genug gelobt, lautet eine Macho-Büroweisheit. Ein bisschen danach klingt es, wenn nach einem der vielen Finanzgipfel-Treffen einer ihrer Mitarbeiter erzählt: »Die Kanzlerin hat gesagt, sie sei › sehr zufrieden‹. Das sagt sie ganz selten …«
Andersherum reagiert sie allergisch auf Mitarbeiter, die vorschnell behaupten, etwas zu wissen, aber im entscheidenden Moment nicht liefern können. Nachweislich unter diesem Generalverdacht stehen die meisten deutschen Botschafter im Ausland. Traditionell dürfen (oder müssen) sie die Begleitung der Kanzlerin bei Auslandsbesuchen übernehmen, aber haben sich dabei in Summe offenbar derart ungeschickt angestellt, dass Merkel das inzwischen vermeidet. Heißt: Anders als früher dürfen die Botschafter während des Besuchsprogramms nicht jeden Weg mit Merkel in ihrer Limousine fahren, sondern nur noch den vom Flughafen zum allerersten Termin. »Sie hat sich einfach zu oft geärgert«, heißt es. Über Geschwätzigkeit und Wichtigtuerei ebenso wie über ideenloses Schweigen.
In ihrer Berliner Wagenburg, im Kanzleramt, würde Merkel das noch weniger akzeptieren. Hier, in den Beraterrunden wie der oft zitierten »Morgenlage« um 8.30 Uhr, gilt das offene Wort, so weit man weiß. Manöverkritik ist erwünscht, kurze, klare Sätze strikt erbeten und der Vortragende wird hart befragt. Wer das alles aushält, den will Angela Merkel am liebsten für immer halten. Nicht wenige ihrer
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