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Angela Merkel – Die Zauder-Künstlerin (German Edition)

Angela Merkel – Die Zauder-Künstlerin (German Edition)

Titel: Angela Merkel – Die Zauder-Künstlerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolaus Blome
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können noch von sich behaupten, ein echter »Parteiflügel« zu sein, der sich wie bei der SPD fest organisiert. Konservative und (Wirtschafts-)Liberale sind vielleicht noch da, aber als kritische Masse haben sie lange nichts mehr erreicht. Und ein verschworener Männerbund (wenn es denn je einer war) wie der »Andenpakt« lebt nur noch in der wehmütigen Erinnerung derer, die dazugehörten. Angela Merkel hat also nicht nur keine traditionelle Hausmacht – sie hat der ganzen Partei abtrainiert, etwas dergleichen zu entwickeln. Wenn er es nicht zugleich aus dem Amt des Kanzlers ableiten könnte, käme der nächste CDU -Chef nach Merkel wohl ähnlich per Zufall ins Amt wie sie selbst.
    Merkels praktisch-alltägliche Machtbasis, ohne die es ja nicht geht, das sind enge Vertraute an Schlüsselpositionen. Sie sind wie sie. ZEIT -Autor Bernd Ulrich nennt sie die »Minimalinvasiven«: CDU -Generalsekretär Hermann Gröhe, Fraktions-Geschäftsführer und heutiger Umweltminister Peter Altmaier, Kanzleramts-Chef Ronald Pofalla. Dazu kommt Fraktionschef Volker Kauder, und für alle gilt: Sie werden der Macht der Kanzlerin niemals gefährlich, aus ihnen werden niemals mehr Rivalen.
    Nicht wenige sagen, Angela Merkel habe die CDU 2000 in einer Mischung aus Zufall und stillem Putsch übernommen, in einem Macht-Moment der Gelegenheit. Dazu passt, dass sie die Partei nicht dank der treuen Zuneigung von unten im Griff hat, sondern weil sie oben die Schaltstellen mit echten Vertrauten besetzt hat. Auch die so genannten »Regional-Konferenzen« (Parteispott: »Volkskongresse«) dienen nicht dazu, sich mit dem einfachen Parteivolk zu verbrüdern. Die artigen Akklamationen dort dienen allein dazu, gefährlicher Kritik aus dem Mittel- und Oberbau der Partei vorbeugend die Legitimation zu entziehen. Ganz einfach: Beklatscht eine große Regional-Konferenz in NRW die Kanzlerin, sind einem Merkel-kritischen Chef dieses Landesverbandes erst einmal die Hände gebunden.
    Diese karge Machtbasis der Parteichefin reicht bis heute, ganz wie nach einem Putsch in einem Drittwelt-Land – und macht sie zugleich anfällig für einen ebensolchen Putsch. Was wäre im Fall von Aufruhr? Helmut Kohl hätte in solchen Lagen auf allen Hierarchiestufen durch die Partei telefoniert, sich ein Bild gemacht, persönliche Getreue eingeschworen, den Gegenangriff vorbereitet. Wen würde Angela Merkel anrufen? Und auf wessen Antwort könnte sie blind vertrauen?
    Schon das beschreibt eine Grenze ihrer Macht. Es gibt noch mehr davon, und sie weiß es: Die Finanzmärkte, die den Staaten kein Geld mehr leihen wollen. Der Aufstieg der neuen Riesen China und Indien. Die Europäische Union, die in immer engerem Takt innenpolitisches Risiko verlangt. Der Bundesrat, in dem es wegen der bunt gescheckten Landesregierungen nur noch ganz selten eine Mehrheit, für welche Regierungskoalition auch immer, gibt – und bis ins Jahr 2016 hinein garantiert keine für Union und FDP . Sogar in ihrem eigenen Kabinett, so sagt sie selbst, reicht ihr Arm nicht allzu weit. Das Grundgesetz weist dem Kanzler zwar »Richtlinienkompetenz« zu, aber jeder halbwegs selbstbewusste Koalitionspartner sagt notfalls Nein. »Richtlinienkompetenz, aha …, Richtlinienkompetenz«, mit einigem Spott in der Stimme hat Angela Merkel Journalisten einmal auf die provozierende Frage geantwortet, weshalb sie in einem in der Sache leicht zu entscheidenden Streit zwischen zwei Ministern nicht auf den Tisch haue. »Richtlinienkompetenz, … aha, vielen Dank für den Tipp, ich sag’s der FDP , dass Sie mir geraten haben, von meiner Richtlinienkompetenz Gebrauch zu machen. Wird die toll beeindrucken.« Schon Konrad Adenauer hat gesagt, dass ein Kanzler keine Richtlinienkompetenz habe, solange er einen Koalitionspartner braucht. Es hat sich nicht viel geändert.
    Kein Wunder also, dass Angela Merkel sich und ihre Macht öffentlich gern klein macht. Sie hofft zugleich, so auch den zwei schwersten Vorwürfen zu entgehen, die ihr von Beginn ihrer Kanzlerschaft an gemacht werden: Dass sie, erstens, aus ihrer Macht zu wenig macht. Und dass sie, zweitens, für den Erhalt ihrer Macht alles macht. Dass sie also machtvergessen und machtversessen zugleich ist.
    Ich denke, der Vorwurf der Machtvergessenheit trifft zu für das erste Halbjahr der zweiten Amtszeit, die Zeit zwischen dem Wahlsieg im September 2009 und der Niederlage bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im Mai 2010. Wenn Angela Merkel die Bundestagswahl im

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