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Angelglass (German Edition)

Angelglass (German Edition)

Titel: Angelglass (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Barnett
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schimmernden Schmelztiegeln über die Tische verstreut. An der Wand des runden Raums hängen Karten, und ein jüngerer Mann mit langem Bart und traurigen Augen, die den Kammerherrn nervös anblicken, steht an das größte Fernglas gelehnt, das ich je gesehen habe. Mit Riemenscheiben und Zahnrädern ausgestattet, ist es am steinernen Boden befestigt und ragt durch die holzverkleidete Decke dieses Raumes, der sich an oberster Stelle des höchsten Turms in Rudolfs Schloss befindet.
    »Soweit ich weiß, ist Euch untersagt worden, diese infernalischen Experimente länger innerhalb des Schlosses auszuführen. Solltet Ihr sie nicht auf Eure Laboratorien in der Goldenen Gasse beschränken?«, sagt Lang beiläufig, tippt mit einem behandschuhten Finger an eine Phiole und beobachtet mit Falkenblick, wie die Flüssigkeit aufbrodelt.
    Der junge Mann zupft verängstigt an seinem Bart und blickt zu seinem Gefährten, der mich durch das Vergrößerungsglas weiterhin unnachgiebig betrachtet. Lang wendet sich an den Mann am Teleskop. »Meister Kepler? Wenn ich nicht irre, spreche ich mit Euch.«
    Kepler nickt und sieht noch einmal Hilfe suchend zu seinem Kollegen, von dem aber keine Reaktion erfolgt. »Ich, also wir, ich und Meister Brahe, wir …«
    Brahe, der Mann mit der goldenen Nase, richtet sich gereizt auf und wendet sich zu Lang um. »Kammerherr, wie Ihr sehr wohl wisst, haben wir die Erlaubnis des Kaisers, diese äußerst wichtigen Experimente innerhalb der Schlossmauern auszuführen. Wir glauben, dass wir kurz vor einem Durchbruch stehen. Unsere Berechnungen haben ergeben, dass nur die verdünnte Luft, die wir hier, so weit über dem Gestank der Stadt atmen, die erforderlichen Ergebnisse zeitigt.«
    Mit einem spöttischen Lächeln auf den Lippen verbeugt sich Lang. »Nun gut, meine Herren. Ich bin nur ein demütiger Kammerherr und Ihr seid die meistgeachteten Wissenschaftler am Hof. Meine Sorge gilt einzig der Sicherheit des Kaisers, falls Eure Experimente nicht nach Plan verlaufen.«
    »Unsere Experimente sind vollkommen sicher, Kammerherr«, setzt Kepler an, wird jedoch durch einen Blick Langs zum Schweigen gebracht. Lang wendet sich an den offensichtlich höherrangigen Brahe. »Was haltet Ihr nun also von unserem kleinen Findling hier?«
    Der Mann mit der goldenen Nase hat mich gemessen, gewogen, mir Speichel- und Urinproben abgenommen und mich von oben bis unten abgetastet. Er hat mir ein paar Haare abgeschnitten, in meiner Nase herumgeschabt und den Abstand zwischen meinen Augen gemessen. Und während der ganzen Zeit konnte ich meinen Blick nicht von dieser Nase abwenden, die, aus glänzendem Metall gefertigt, an seinem dünnen Gesicht befestigt ist.
    Er seufzt und hält einen Bogen Papier in die Höhe. Unzählige Notizen hat er während meiner Untersuchung darauf verzeichnet. »Ich muss die ganzen Informationen zunächst verarbeiten, Kammerherr. Nach einer so flüchtigen Untersuchung kann ich nicht viel anderes sagen. Könnte ich ihn nicht etwas länger hierbehalten?«
    »Das kommt nicht infrage«, erwidert Lang mit kühlem Lächeln. »Er soll jetzt gleich den Kaiser treffen. Ich werde ihn morgen zu Euch schicken und erwarte Euren Bericht bis übermorgen. Verstanden?«
    Ich ziehe mich wieder an. Brahe protestiert, doch Lang tut seine Einwände mit einer Handbewegung ab. Dann führt er mich hinaus und schließt die Tür zu dem kleinen Observatorium hinter uns.
    »Wer waren die beiden?«, frage ich.
    »Des Kaisers Wissenschaftler«, erwidert Lang mit einem geringschätzigen Zischen seiner Schlangenzunge. »Wenn es gerade nicht Magier oder Abenteurer oder … Findlinge sind«, sagt er und wirft mir einen abschätzigen Blick zu, »dann sind es eben Wissenschaftler. Sie behaupten, Alchemisten zu sein und einfache Metalle in Gold verwandeln zu können. Außerdem beobachten sie den Himmel durch dieses Teleskop und zeichnen aus welchen Gründen auch immer die Position der Sterne und Planeten auf.«
    »Und jener mit der … der Nase?«
    »Tycho Brahe. Ein Däne. Viel zu gebildet, wenn Ihr mich fragt. Er besuchte die Universitäten in Kopenhagen und Leipzig. Er verlor seine Nase bei einem Duell mit einem anderen Studenten, dieser Narr, und ließ sich diesen goldenen Ersatz anfertigen, den er sich jetzt wie den Futtersack eines Pferds um den Kopf bindet. Der andere ist Johannes Kepler, mehr Maus als Mann. Er arbeitet an irgendwelchen Theorien, die besagen, dass sich die Welten umeinanderdrehen, so als wäre Gott ein verdammter

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