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Angelglass (German Edition)

Angelglass (German Edition)

Titel: Angelglass (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Barnett
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aufwache, starre ich im Licht des Morgengrauens an die Decke von Johns Zimmer und höre zunächst, wie Karla sich auf den Weg in ihre Zeitungsredaktion macht und danach Padraig ins
Leopold Bloom
davonzieht. Cody macht sich im Badezimmer zu schaffen, und Petey stimmt in seinem Zimmer leise die Gitarre. Ein zartes Klopfen ertönt an der Tür, und Jenny schaut ins Zimmer. »Pooty? Hallo, ich wusste nicht, ob du schon wach bist. Ich hab dir ’ne Tasse Tee mitgebracht.«
    Jenny, die einen bauschigen Morgenmantel trägt, lässt sich am Fußende des großen Bettes nieder. Ich nehme ihr dankend den dampfenden Tee ab. »Schöne Träume gehabt?«
    Ich suche nach den richtigen Worten, um meine rasch verblassenden Visionen zu beschreiben. »Schlösser … Pferde … Riesen … und der Tod«, erwidere ich nach einer Weile.
    Jennys dunkle Augen betrachten mich. »Klingt, als hättest du gestern Abend zu viel von Peteys Zeug geraucht«, sagt sie tadelnd. »Na, wie dem auch sei. Ich kenne genau die richtige Therapie, um die Spinnweben zu zerreißen. Lust auf Großeinkauf à la Jenny?«
    »Ist das dein ernst gemeinter ärztlicher Rat?«
    Jenny lacht. »Nimm ihn besser an, Freundchen. Ich bin schließlich die Ärztin. Oder zumindest werde ich es bald sein. Dann also in einer halben Stunde unten? Wenn du magst, können wir in der Stadt ein wenig frühstücken.«
    Ich nicke einverständig, und Jenny verschwindet wieder und lässt mich allein. Sogar meine Träume haben sich mit dem Morgengrauen verflüchtigt.
    »Als Erstes müssen wir dir ein paar anständige Sachen kaufen«, beschließt Jenny, als wir in einem kleinen, gut geheizten Café sitzen, das sich in den verwinkelten Straßen hinter dem Altstädter Ring verbirgt. »Ein paar gute Jeans, ein paar T-Shirts und ein oder zwei dicke Pullover. Und dann brauchen wir noch Handschuhe, einen Schal und eine Mütze. Die Mütze ist wichtig. Wenn der Winter erst mal einsetzt, wird es hier bitterkalt. Ich dachte immer, die Winter in Manchester wären kalt, aber das war, bevor ich hierherkam. Ich hab mir letzten Winter fast den Hintern abgefroren.«
    Wir trinken heiße Schokolade und beobachten die Touristen, die sich beim Betreten des geheizten Cafés aus ihren Wollschichten schälen. Heute ist es sogar kälter als letzte Nacht, und die Wolken sind schwer vor Regen oder vielleicht sogar Schnee.
    »Dies ist das letzte Semester meines Medizinstudiums«, sagt Jenny wie um Konversation bemüht. »Ich habe ein Stipendium bekommen, um an einem europäischen Krankenhaus zu arbeiten, und ich habe mir Prag ausgesucht.«
    »Wie hast du eigentlich Karla und Cody und all die anderen kennengelernt?«, frage ich.
    »Das war während der letzten Demo in Prag. Ein paar Leute aus dem Krankenhaus hatten eine Art kostenlose Rettungsstelle in einem besetzten Haus eingerichtet. Wir wussten, dass es bei der Demo zu Verletzten kommen würde. John hat von einem Bullen eins über den Schädel bekommen, und ich habe ihn verarztet. Irgendwie bin ich dann mit ihm und Cody ins Gespräch gekommen. Damals teilte ich mir ein Zimmer mit einer anderen Studentin im Krankenhaus. Es war ziemlich beengt, und John fragte mich, ob ich nicht bei ihnen wohnen wollte. Das liegt jetzt acht oder neun Monate zurück. Die Truppe ist ziemlich bunt durcheinandergewürfelt, aber das Haus ist fantastisch. Ich glaube, du wirst dich bei uns wohlfühlen, Pooty. Das hoffe ich zumindest.«
    Ich trinke meinen heißen Kakao aus. »Bis jetzt war es gut«, stimme ich zu. »Was glaubst du, wann wird John zurückkommen?«
    Jenny zuckt mit den Schultern. »Er ist für ein paar Wochen in Thailand und Laos unterwegs und reist da herum. Könnte aber jederzeit wieder auftauchen.«
    »Wahrscheinlich vor dem 15. November?«
    Jenny blickt mich erstaunt an. »Wer hat da geplappert? Karla, möchte ich wetten.«
    »Ich wusste nicht, dass es ein Geheimnis ist – diese Protestaktion.«
    Jenny zuckt wieder mit den Schultern. »Ist es vermutlich auch nicht. Na, du bist ja jetzt sowieso einer von uns. Und, hast du Lust auf ein bisschen Action?«
    »Ich glaube schon. Scheint mir ein sinnvoller Anlass zu sein.«
    »Oh, ganz bestimmt«, erwidert Jenny mit leuchtenden Augen. »Dieses Mal knöpfen wir uns die Ölindustrie vor. Sie vergewaltigen unseren Planeten, Pooty. Ist dir eigentlich klar, dass diese Welt in weniger als vierzig Jahren unbewohnbar sein wird? Und wenn sie uns bis dahin nicht mit einer Rakete auf den Mars schießen, sind wir alle geliefert. Sogar die

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