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Angelglass (German Edition)

Angelglass (German Edition)

Titel: Angelglass (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Barnett
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spielen darf, es amüsiert ihn, den aus Blut und Knochen Geschaffenen Wunder zu bringen und dabei zuzusehen, wie sie diese nur zum Erlangen des schnöden Mammons einsetzen. Er könnte ein Flüstern des Hauses dazugeben, eine Perle aus Licht durch den Spiegel fallen lassen, eine einzige Silbe seines wahren Namens verraten und den aus Blut und Knochen Geborenen ein Schwert in die Hand geben, das die silberne Stadt mit einem Streich zerschmettern könnte.
    Doch er lässt es.
    Er verlässt den singenden Brunnen, gleitet auf den Balkon und blickt auf die silberne Stadt, die von Schwärze eingeschlossen ist. Er liebt diese Stadt; sie ist sein Leben. So wie es immer war, soll es auch immer sein.

Kapitel 9 Adbusting
    Cody kann seine Aufregung kaum verbergen. Er kommt ins Wohnzimmer gestürzt und fuchtelt mit einem Blatt Papier herum. »Ich habe gerade eine E-Mail von John bekommen! Er ist auf dem Weg nach Hause!«
    Jenny blickt von ihrem Buch auf. »Und was schreibt er?«
    »Nicht viel. Er ist momentan in Bangkok. Er war in Laos, Kambodscha und hat sich sogar nach Burma reingeschlichen. Totaler Wahnsinn, Mann.«
    »Dann wird er vermutlich gleich unsere Aktion zum Treffen der Industrienationen in die Hand nehmen wollen«, sagt Padraig.
    »Wir haben doch alles bestens vorbereitet, oder nicht?«, sagt Petey.
    »Was genau werden wir eigentlich machen?«, frage ich. Cody zieht eine Augenbraue hoch, als ich mich selbst zum Mitglied der Gruppe ausrufe. Die anderen blicken einander an.
    »Es geht um einen Streich«, sagt Karla mit betontem Desinteresse. »Wahrscheinlich warten wir besser, bis John zurück ist, bevor wir dich einweihen. Wir alle wissen schließlich nur zu gut, wie gerne er manchmal in letzter Minute seine Meinung über Dinge ändert.«
    »Stimmt überhaupt nicht«, schimpft Cody. »Gott, ich wünschte wirklich, dass du nicht immer so streng über ihn urteilen würdest, Karla.«
    Achselzuckend widmet sie sich wieder ihrer Zeitschrift. »Wie dem auch sei«, fährt Cody fort, »ich dachte, wir sollten irgendwas machen, um seine Rückkehr zu feiern.«
    Jenny klatscht in die Hände. »Eine Party!«
    »Na, toll«, murmelt Karla. »Dann ist unsere Bude hier mit den verfluchten Wombles vollgestopft.«
    Cody wirft ihr einen finsteren Blick zu. »Ich habe eigentlich an etwas Angemesseneres gedacht. Da hängt eine riesige Esso-Plakatwand an der Straße zum Flughafen. In Englisch, übrigens. Wie wär’s, wenn wir die Sprache der Globalisierung zur Sprache der Revolution machen? Jemand Lust auf ein bisschen Adbusting?«
    »Versuch dich zu konzentrieren«, sagt Jenny.
    »Ich dachte, ich sollte mich entspannen.«
    Sie seufzt und erhebt sich aus der Lotusposition, die ich vergeblich und unter Mühen nachzumachen versuche. Jenny hat entschieden, dass mir Meditation möglicherweise einen Teil meiner unsichtbaren Vergangenheit erschließen könnte. Ich muss erst in ein paar Tagen wieder in der Kneipe arbeiten, und da Jennys Vorlesungen in dieser Woche nur spärlich stattfinden, hat sie mich zu sich in ihr Zimmer eingeladen, um etwas Ruhe und Frieden zu finden. Wir haben uns mit geschlossenen Augen einander gegenübergesetzt und versuchen jetzt seit gut zehn Minuten im selben Rhythmus zu atmen, aber ich werde langsam unruhig.
    Jenny geht quer durchs Zimmer und legt eine CD ein. »Vielleicht hilft dir ja etwas sanfte Musik beim Entspannen.«
    Sie startet die CD und zieht die Vorhänge vor die Fenster, durch die helles Licht hereinscheint. Das Aufflammen eines Streichholzes schreckt mich etwas auf, doch es ist bloß Jenny, die ein paar Kerzen und Räucherstäbchen anzündet. Ihr aromatischer Duft verteilt sich gleichmäßig über den ganzen Raum.
    Geschickt nimmt sie wieder ihre Position ein. »Okay«, sagt sie leise. »Das sollte uns helfen, ein bisschen zu entspannen. Jetzt atme mit mir, Pooty. Ich werde es langsam angehen lassen. Versuch einfach, an nichts zu denken. Überhaupt nichts. Keine …«
    Keine Kommunikation.
    »… Unterbrechungen. Folge meinem Atemrhythmus, Pooty. Halte die Augen geschlossen. Denk ein paar Augenblicke an …«
    Verboten. Kommunikation ist verboten.
    »… gar nichts. Atme … atme …«
    Die leise, beruhigende Musik, der betörende Duft der Räucherstäbchen und der winzige Widerschein des Kerzenlichts hinter meinen Lidern destillieren sich zu einer einzigen Wahrnehmung: der Klang von Jennys Herzschlag. Erst weicht er leicht von ihrem Atemrhythmus ab, nimmt dann alle Geräusche auf, verschmilzt mit ihnen

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