Angelglass (German Edition)
Fuße der Apparatur und löst verschiedene Kugellager aus ihren Verankerungen. Zögernd beginnt die Maschine zu rotieren, gewinnt dann an Tempo und Laufruhe, bis sich schließlich die farbigen Kugeln wie in einem fantastischen, lautlosen Ballett umeinanderdrehen. Rudolf ist völlig hingerissen, während sich in Keplers Augen Tränen sammeln.
»Faszinierend«, kommentiert Rudolf.
»Und es wird immer so weitergehen«, erklärt Drebbel. »So wie der Himmel wird sich auch dieses Perpetuum mobile bis in alle Ewigkeit weiterdrehen. Exzellenz, ich bin Euer bescheidener Diener.«
Zum Zeichen, dass die Vorführung nun beendet ist, verneigt sich Drebbel tief.
»Bemerkenswert!«, sagt Rudolf und spendet Applaus, in den der gesamte Hof einen Augenblick später einstimmt. »Unterkunft für Herrn Drebbel und seine Mannschaft! Sie müssen nach ihrer Unterwasserreise ganz erschöpft sein. Und morgen Abend ein Bankett, um unsere Gäste in Prag willkommen zu heißen.«
Am nächsten Morgen beordert mich Rudolf in seine Gemächer. »Wir müssen den geheimen Besuch des Rabbis heute Abend geschickt vorbereiten«, sagt er. »Das Schloss wird mit den Vorbereitungen des Banketts für Herrn Drebbel beschäftigt sein. Aber Lang müssen wir überlisten.«
Ich frage den Kaiser, wieso er seinem Kammerherrn nicht einfach befehlen kann, ihn für eine oder zwei Stunden allein zu lassen. Rudolf seufzt. »Obwohl Philipp mir treu ergeben ist, darf ich mir keine Illusionen machen. Denn er dient Rudolf dem Kaiser, und nicht Rudolf dem Menschen. Er wird jeden Schaden vom Kaiserreich abwenden, und wenn er mich mit den Juden verkehren sieht, so fürchte ich, dass er meine Rolle als Beschützer der Habsburger in Zweifel ziehen könnte.«
Rudolf trinkt seinen Morgentee und sinnt eine Weile nach. »Wir werden eine Porträtsitzung mit Meister Arcimboldo vereinbaren«, beschließt er. »Dann wirst du dem Maler mitteilen, dass ich mich unwohl fühle und die Sitzung verschoben wird. Allerdings darf er mit niemandem darüber sprechen.«
»Könnt Ihr ihm vertrauen?«
»So gut wie jedem anderen am Hof«, erwidert der Kaiser unverblümt. »So gut wie einem vom Himmel gefallenen Findling.«
Einen Augenblick versinkt er in Gedanken. Schließlich rührt er sich wieder und befiehlt mir zu gehen. »Komm bei Anbruch der Nacht zu mir. Ich möchte, dass du dabei bist, wenn ich Rabbi Löw treffe.«
Den Rest des Tages verbringe ich mit der Suche nach Hannah. Nachdem ich sie nicht finden kann, besuche ich Jakob in der Gewandkammer. »Ich hoffe, der Rabbi hält sein Versprechen«, sage ich missmutig. »Ich fürchte, es wäre nicht gut für mich, wenn er heute Abend nicht im Schloss erscheint.«
»Der Rabbi wird kommen«, versichert mir Jakob. »Ich glaube nicht, dass er sich solch eine Gelegenheit entgehen ließe.«
Wir werden von einem heftigen Klopfen unterbrochen. Der Kammerdiener öffnet die Tür und lässt einen Boten eintreten, der sich atemlos am Türrahmen abstützt. »Meister Poutnik! Ich habe Euch gesucht. Der Kaiser wünscht Euer Erscheinen im Weißen Turm.«
Der Weiße Turm ist der höchste Turm des Schlosses und bietet Ausblick auf die Goldene Gasse und den Hirschgraben. Nachdem ich die vielen Stufen hinaufgestiegen bin, finde ich Rudolf in der schmucklosen Kammer ganz oben im Turm. Er steht neben Lang am Fenster und betrachtet die Aussicht. Zwei Wächter halten den Zwergen Jeppe in ihrer Mitte gefangen; in seiner schmutzigen, rot-grünen Narrenkluft wirkt er völlig verängstigt.
»Ah, der Spiegel von Prag«, sagt Lang. Ohne seinen Blick vom Hirschgraben abzuwenden, der grün und fruchtbar unter ihm liegt und von allerlei Jagdwild bevölkert ist, wendet sich schließlich Rudolf an mich. »Findling, du hast mir nicht erzählt, dass man dir nach dem Leben trachtet.«
Ich blicke zu Lang. Er trägt noch immer denselben wogenden schwarzen Mantel, den er bereits bei meiner Ankunft im Schloss anhatte. »Ich hielt es nicht für erforderlich, Eure Exzellenz mit diesem Vorfall zu belästigen …«
Endlich dreht sich Rudolf um. Seine Augen sind gerötet und blutunterlaufen. »Nicht erforderlich? Meister Poutnik, ich entscheide, was nötig ist, wenn das Leben meiner Höflinge bedroht wird. Weitermachen, Lang.«
Der Kammerherr räuspert sich. Der Zwerg stößt ein heiseres Jammern aus.
»Jeppe hat gestanden, dass er versucht hat, Euch umzubringen, Meister Poutnik«, sagt Lang.
Der Narr schüttelt den Kopf. »Nein, nein, Meister Lang. Ich muss Euch
Weitere Kostenlose Bücher