Angélique - Am Hof des Königs
und es war dieser Tempowechsel nach einem langen, schnellen Galopp, der Angélique geweckt hatte. Sie wagte nicht, sich zu rühren, weil sie Florimond nicht stören wollte, der tief und fest schlief.
»So oft sind wir zurückgekehrt!«, fuhr die Königinmutter fort. »Und meistens voller Sorge, weil ich nicht wusste, ob ich zittern oder mich freuen sollte … Ich wusste nie, ob wir nicht bald wieder Gefangene in den Mauern dieser Stadt sein würden.
Die Rückkehr aus Saint-Germain … Die Rückkehr aus Compiègne … Die Rückkehr nach dem Frieden von Rueil …«
Freudiger Stolz ließ ihre Stimme erzittern.
»Aber jedes Mal wurde er schöner! Hoheitsvoller! Und mehr und mehr wandelte sich das hasserfüllte Geschrei in Zuneigung: ›Es lebe der König! Es lebe der König!‹, riefen sie. Und jetzt dieser Einzug mit der jungen Königin! Der Kardinal bringt den Frieden …! Ich vermag mir gar nicht vorzustellen, wie groß die Freude des Volkes sein wird.«
»Es wird so prachtvoll sein!«, antwortete Mademoiselle erschauernd.
Kapitel 18
A ußer für Mademoiselle, die es nicht erwarten konnte, endlich in ihren Tuilerienpalast zurückzukehren, endete für den König und seinen Hof die Reise in Fontainebleau, der prächtigen, weitläufigen königlichen Residenz im Südosten von Paris. Sie mussten der Hauptstadt die nötige Zeit geben, um sich vorzubereiten und die Triumphbögen für eines der größten Feste dieses Jahrhunderts zu errichten.
»Wir werden Paris noch vor dem Mittag erreichen«, verkündete Andijos, als Angélique am darauffolgenden Morgen mit Florimond in ihrer inzwischen reparierten Kutsche Platz nahm, die bei diesem Halt wieder zu ihnen gestoßen war.
»Vielleicht treffe ich dort ja meinen Gemahl an, und es wird sich alles aufklären«, entgegnete Angélique. »Warum macht Ihr so ein verdrossenes Gesicht, Marquis?«
»Weil Ihr gestern um ein Haar getötet worden wärt. Wenn die Kutsche nicht umgestürzt wäre, hätte der zweite Schuss des Räubers Euch aus nächster Nähe getroffen. Die Kugel ist durch die Scheibe eingedrungen, und ich habe sie im Überzug der hinteren Rückenlehne gefunden, genau an der Stelle, wo Euer Kopf hätte sein sollen.«
»Da seht Ihr doch, dass das Glück auf unserer Seite ist! Vielleicht ist das ja ein gutes Omen für alles, was noch kommt.«
Die Aussicht, bald in Paris einzutreffen, hob merklich ihre Stimmung.
Es war ein typischer klarer, kühler Morgen der Île-de-France. Bald herrschte emsiges Treiben auf der Straße, was ihnen verriet,
dass sie sich der großen Stadt näherten. Immer öfter tauchten hinter Gittertoren verborgene, am Ende kurzer Alleen liegende Schlösser und Landhäuser auf. Zwischen den Bauernhöfen und kleinen Häuschen lagen Obst- und Gemüsegärten. Die Häuser wurden immer zahlreicher und ballten sich zu Weilern und Marktflecken, die bald ohne Unterbrechung aufeinanderfolgten.
Angélique glaubte, sie hätten Paris bereits erreicht, während sie noch die Vororte durchquerten. Nachdem sie die Porte Saint-Honoré passiert hatten, war sie enttäuscht von den schmalen, schlammigen Straßen. Der allgegenwärtige Lärm war nicht so klangvoll wie in Toulouse, sondern erschien ihr schriller und rauer. Die Rufe der Kaufleute und vor allem der Kutscher, der Lakaien, die vor den Kutschen hereilten, und der Sänftenträger erschallten vor einem dumpfen Rumoren, das sie an das Donnergrollen kurz vor einem Gewitter erinnerte. Die Luft war glühend heiß, und es stank.
Es dauerte über zwei Stunden, bis Angéliques Kutsche, ihr Gepäckkarren und die beiden berittenen Lakaien, von Andijos eskortiert, das Viertel Saint-Paul erreichten.
Endlich bog der Kutscher in die Rue de Beautreillis ein und wurde langsamer.
Die Schaulustigen musterten erstaunt die Karosse und versuchten das Wappen auf dem Wagenschlag zu erkennen. Manche wichen empört zurück. Kinder rannten davon, liefen schreiend in die Läden, kamen wieder heraus und deuteten mit dem Finger auf die Kutsche und die Reiter.
Angélique, die sich angespannt fragte, wie sie zwischen all den neuen Häusern ihr eigenes erkennen sollte, achtete nicht darauf, was draußen vor sich ging. Doch als ihre Kutsche von einem Heukarren aufgehalten wurde und vor einem Kramwarenladen stehen blieb, hörte sie einen Mann von der Schwelle aus rufen: »Das ist das Wappen des Teufels!«
Dann verschwand er hastig in seinem Laden und schlug die Tür hinter sich zu.
»Die Leute in dieser Straße scheinen uns für
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