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Angelique Der Gefangene von Notre Dame

Titel: Angelique Der Gefangene von Notre Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Golon Anne
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es hat lange gedauert. Was für ein Tag, meine Liebe! Der Leichnam war erst gegen zwei Uhr nachmittags vollständig verbrannt. Und als die Asche verstreut wurde, kam es zu einer regelrechten Schlacht. Jeder wollte etwas davon abbekommen. Um ein Haar hätten sie den Henker massakriert.«
    Nach kurzem Schweigen fügte sie hinzu: »Kanntet Ihr den Hexenmeister?«
    Â»Nein«, antwortete Angélique. »Ich weiß auch nicht, was mit mir los war! Ich habe so etwas vorher noch nie gesehen.«

    Â»Ja, es kann einen ziemlich mitnehmen. Aber wir Kaufleute an der Place de Grève sehen so viel, dass es uns schon gar nichts mehr ausmacht. Wir haben sogar das Gefühl, dass etwas fehlt, wenn mal keiner am Galgen hängt.«
    Â 
    Angélique hätte den guten Leuten zum Dank gern etwas Geld gegeben. Aber sie hatte nur ein paar wertlose Münzen bei sich. Sie versprach ihnen, zurückzukommen und ihnen die Kosten für den Besuch des Arztes zu erstatten.
    Â 
    In der blauen Dämmerung läutete die Glocke im Rathausturm zum Feierabend. Mit dem Einbruch der Nacht wurde es bitterkalt.
    Am anderen Ende des Platzes fachte der Wind eine riesige rote Blume aus glühender Kohle an: Das waren die letzten Reste des Scheiterhaufens. Als Angélique näher kam, hörte sie die Stimme von Maître Aubin, der zusammen mit seinen Gehilfen aufräumte. Zögernd ging sie auf ihn zu, ohne genau zu wissen, was sie ihn fragen wollte.
    Der Scharfrichter erkannte sie sofort.
    Â»Ah, da seid Ihr ja!«, sagte er. »Ich habe schon auf Euch gewartet. Hier sind Eure dreißig Ecus.«
    Angélique starrte auf die Börse, die er ihr hinhielt.
    Â»Es war nicht meine Schuld«, fuhr der Mann aufrichtig bekümmert fort. »Ich konnte ihn nicht erdrosseln.«
    Er beugte sich zu ihr vor und flüsterte: »Jemand hatte einen Knoten in den Strick gemacht.«
    Â»Einen Knoten?«
    Â»Ja, jemand muss etwas geahnt haben, und um mich daran zu hindern, ihn zu erdrosseln, hat er einen Knoten in den Strick gemacht. Darum konnte ich die Schlinge nicht zuziehen, versteht Ihr? Und für mich wurde es höchste Zeit, endlich runterzuklettern.«

    Vorsichtig richtete er sich wieder auf und fügte hinzu: »Ich glaube, es war dieser Mönch mit dem hinterhältigen Blick.«
    Er schien zu zögern, während er das bleiche, zu ihm gewandte Gesicht der Frau betrachtete, als fragte er sich, ob er noch mehr sagen solle. Worte waren nicht seine Stärke. Er fürchtete sie. Dennoch rang er sich dazu durch, als drängte ihn etwas, das stärker war als sein Widerwille. Erneut beugte er sich vor.
    Â»Ich glaube, der Hexenmeister wusste, was passieren sollte, denn als er gesehen hat, wie ich mit dem Strick herumhantierte, da hat er gesagt: ›Es ist zu spät! Bring dich schnell in Sicherheit, Henker!‹«
    Angélique glaubte, wieder ohnmächtig zu werden. Die Worte des Henkers hatten den entsetzlichen Schmerz in ihrem Inneren, wo ihre Liebe zu Joffrey und ihr unauslöschlicher Hass auf Conan Bécher um die Vorherrschaft stritten, noch vergrößert. Dort brannte eine Wunde, die niemals heilen würde.
    Â»Behaltet das Geld«, sagte sie mit tonloser Stimme.
    Â 
    Da löste sich die bescheidene Gestalt des Kaplans aus dem Schatten des Schafotts.
    Als er auf sie zukam, wich sie entsetzt zurück, denn in den Falten seiner Soutane hing der abstoßende Geruch von verbranntem Holz und gebratenem Fleisch.
    Â»Ich wusste, dass Ihr kommen würdet, meine Schwester«, sagte er. »Ich habe auf Euch gewartet. Ich wollte Euch sagen, dass Euer Gemahl, zu dem ich heute Morgen gebracht wurde, als Christ gestorben ist. Er war bereit und hat sich nicht gegen sein Schicksal aufgelehnt. Er bedauerte, Abschied vom Leben nehmen zu müssen, aber er fürchtete sich nicht vor dem Tod. Mehrmals hat er zu mir gesagt, dass er sich freue, vor den Schöpfer aller Dinge zu treten. Ich glaube, er fand großen Trost in der Gewissheit, dass er bald erfahren würde...«
    Der Abbé zögerte, und aus seiner Stimme sprach leise Verwunderung,
als er fortfuhr: »Dass er bald erfahren würde, ob die Erde sich dreht oder nicht.«
    Â»Oh!«, rief Angélique, der der Zorn mit einem Mal neue Kraft verlieh. »Das sieht ihm ähnlich! Ihr Männer seid doch alle gleich. Es war ihm völlig egal, dass ich in Elend und Verzweiflung auf dieser Erde zurückbleiben würde, ob

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