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Angelique Der Gefangene von Notre Dame

Titel: Angelique Der Gefangene von Notre Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Golon Anne
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Unschuldigen Kinder vorbeiziehen hörten, wo sie ihrem Fürsten, dem Großen Coesre, huldigen würden.
    Â»Wem gehört sie?«, fragte wieder einer.
    Â»Uns«, brüllte Cul-de-Bois, »damit das klar ist.«
    Â 
    Die Bettler ließen ihn vornweg rollen. Keiner von ihnen, und hätte er auch die flinkesten Beine, hätte es sich einfallen lassen, den Rumpfmann zu überholen. In einer ansteigenden Gasse stürzten zwei der einstigen Soldaten, die »Fechter« oder »Gartbrüder« genannt wurden, vor, um die Schale des Beinlosen hochzuheben und ihn ein Stück zu tragen.
    Der Gestank in den Straßen des Viertels wurde immer übler:
In den Abflussrinnen verfaulten Fleisch, Käse und Gemüse, und über allem hing ein durchdringender Verwesungsgeruch. Es war das Viertel der Markthallen, das am entsetzlichen Fleischfres- ser 15 , dem Friedhof der Unschuldigen Kinder, endete.
    Angélique war noch nie auf diesem Friedhof gewesen, obwohl der makabre Ort als einer der beliebtesten Treffpunkte von ganz Paris galt. Man begegnete dort sogar vornehmen Damen, die an den Buchständen oder bei den Wäschehändlern einkauften, die ihre Auslagen unter den Beinhäusern eingerichtet hatten.
    Elegante Herren, die mit ihren Mätressen von Arkade zu Arkade schlenderten, waren tagsüber ein vertrauter Anblick. Beiläufig schoben sie mit der Spitze ihrer Gehstöcke Totenschädel oder verstreute Knochen beiseite, während Beerdigungszüge psalmodierend ihren Weg kreuzten.
    Nachts jedoch diente dieser privilegierte Ort, an dem von alters her niemand verhaftet werden durfte, Schurken und Räubern als Zuflucht, und die lüsternen Männer suchten hier unter den Dirnen nach Gefährtinnen für ihre Ausschweifungen.
    Â 
    Als sie den Friedhof erreichten, dessen halb eingestürzte Mauer an vielen Stellen Zugang gewährte, kam gerade ein Totenausrufer in seinem schwarzen, mit Totenschädeln, gekreuzten Schienbeinknochen und silbernen Tränen bestickten Überrock durch das Haupttor heraus.
    Â»In der Rue de la Ferronnerie ist heute jemand gestorben«, erklärte er ungerührt, als er die Gruppe bemerkte, »und man verlangt nach Armen für den Leichenzug morgen. Jeder soll zehn Sols und einen schwarzen Rock oder Mantel bekommen.«
    Â»Wir gehen, wir gehen!«, riefen ein paar zahnlose alte Weiber.
    Beinahe wären sie gleich zum Haus in der Rue de la Ferronnerie gestürmt und hätten sich dort niedergelassen, doch die anderen hielten sie schimpfend davon ab. Cul-de-Bois erhob erneut
seine Stimme und überschüttete sie mit Flüchen: »Teufelsdreck noch eins! Ihr wollt euch um eure Arbeit und eure kleinen Geschäfte kümmern, während der Große Coesre auf uns wartet? Womit hab ich bloß diese alten Vetteln verdient? Auf mein Wort, mit den guten Sitten geht’s bergab...!«
    Verwirrt senkten die alten Frauen den Kopf, und ihr Kinn begann zu zittern. Dann schlüpften alle, die einen hier, die anderen dort, durch die Löcher in der Mauer auf den Friedhof.
    Der Totenrufer entfernte sich mit klingelndem Glöckchen. An den Kreuzungen blieb er stehen, hob das Gesicht zum Mond und rief mit monotoner Stimme:
    Â»Betet, ihr Schläfer, nach dem langen Tag,
dass Gott die Toten bei sich aufnehmen mag.«
    Angélique ging über die weitläufige, mit Leichen durchsetzte Fläche. Hier und dort klafften weit offene Leichengruben, die bereits zur Hälfte mit in Leichentücher eingenähten Toten gefüllt waren und auf die nächste Fuhre warteten, ehe sie geschlossen wurden.
    Ein paar Grabstelen oder steinerne Platten auf dem Boden kennzeichneten die Gräber von wohlhabenderen Familien. Aber das hier war seit Jahrhunderten der Friedhof der Armen. Die Reichen ließen sich bei Saint-Paul begraben.
    Das Licht des Mondes, der nun endlich an einem wolkenlosen Himmel strahlte, beleuchtete die dünne Schneeschicht auf den Dächern der Kirche und der umliegenden Gebäude.
    Das Kreuz auf dem Grab der Familie Bureau, ein hohes metallenes Kreuz, das neben dem gemauerten Predigerhäuschen in der Mitte des Geländes aufragte, schimmerte matt.
    Â 
    Die Kälte minderte ein wenig den ekelerregenden Gestank. Ohnehin schien sich niemand darum zu kümmern, und auch Angélique atmete achtlos die mit Miasmen geschwängerte Luft.

    Was jedoch ihren Blick unwiderstehlich anzog und sie so verblüffte, dass sie

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