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Angelique Der Gefangene von Notre Dame

Titel: Angelique Der Gefangene von Notre Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Golon Anne
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kann ich nicht mehr gehen.«
    Â»Du kannst nicht mehr gehen, weil du zu viel gelaufen bist«, rief der Zwerg mit einem erneuten Luftsprung. »Schuhuhu, ist das komisch!«
    Â»Halt’s Maul, Barco!«, grollte eine Stimme. »Du nervst!«
    Â 
    Eine kräftige Faust packte Barcarole an der Jacke und schleuderte ihn mitten in einen Knochenstapel.
    Â»Der Gnom geht uns auf den Geist, nicht wahr, meine Schöne?«
    Â 
    Der Mann beugte sich zu Angélique hinunter. Nach all den Missbildungen und der Hässlichkeit um sie herum bedeutete das attraktive Äußere des Neuankömmlings für die junge Frau eine gewisse Erleichterung. Sein Gesicht konnte sie nicht genau erkennen, da es im Schatten eines großen, mit einer dürren Feder geschmückten Huts verborgen lag. Trotzdem erahnte sie regelmä ßige Züge, große Augen und einen wohlgeformten Mund. Der Mann war jung und voller Kraft. Seine tiefdunkle Hand ruhte auf der Parierstange eines langen Dolchs, der an seinem breiten Gürtel hing.
    Â»Wem gehörst du, meine Schöne?«, fragte er mit schmeichelnder Stimme, in der ein leichter fremdländischer Akzent mitklang.
    Sie antwortete nicht und schaute verächtlich in die Ferne.
    Â 
    Da hinten, auf den Stufen des Predigerhäuschens, hatte man vor dem Großen Coesre und seinem hünenhaften Schwachkopf das Kupferbecken auf den Boden gestellt, auf dem das Kind zuvor herumgetrommelt hatte.
    Und einer nach dem anderen traten die Bettler vor, um die vom Herrscher verlangte Steuer in das Becken zu werfen.

    Jeder zahlte entsprechend seiner Spezialität. Der Zwerg, der wieder zu Angélique zurückgekommen war, erläuterte ihr mit gedämpfter Stimme die Titel dieses ganzen Bettelvolks, das seit der Gründung von Paris die Ausbeutung der öffentlichen Wohltätigkeit nach strengen Regeln organisierte.
    Er zeigte ihr die »Abgebrannten«, die ordentlich gekleidet und mit schamvoller Miene die Hand ausstreckten und den Passanten erzählten, sie seien einst ehrbare Leute gewesen. Dann aber seien im Krieg ihre Häuser niedergebrannt und ihr gesamtes Hab und Gut geraubt worden. Die »Krämer« gaben sich als ehemalige Kaufleute aus, die angeblich von Wegelagerern ausgeraubt worden waren, und die »Konvertierten« behaupteten, sie seien von der Gnade Gottes erleuchtete Protestanten und wollten sich zum Katholizismus bekehren. Nachdem sie die Belohnung dafür eingestrichen hatten, zogen sie weiter, um sich im nächsten Sprengel erneut zu bekehren.
    Die »Fechter« und »Garter«, ehemalige Soldaten, verliehen ihren Bitten um milde Gaben mit ihren Schwertspitzen Nachdruck und bedrohten und erschreckten die braven Bürger, während die »Waisen«, kleine Kinder, die einander bei der Hand hielten und vor Hunger weinten, ihre Herzen zu erweichen suchten.
    Die gesamte Bettlerzunft respektierte den Großen Coesre, weil er für Ruhe zwischen den rivalisierenden Banden sorgte.
    Sols, Ecus und sogar Goldstücke fielen in das Becken.
    Â 
    Der Mann, dessen Haut die Farbe von geröstetem Brot hatte, ließ Angélique nicht aus den Augen. Er trat näher an sie heran und strich mit einer Hand über ihre Schulter. Als sie unwillkürlich zurückwich, sagte er hastig: »Ich bin Rodogone der Ägypter. Mir gehorchen viertausend Leute in Paris. Alle Zigeuner, die in die Stadt kommen, zahlen mir Steuern, und auch die dunklen Frauen, die den Leuten aus der Hand lesen. Willst du eins meiner Weiber werden?«

    Sie antwortete nicht. Über dem Kirchturm und den Beinhäusern zog der Mond seine Bahn. Vor dem Predigerhäuschen kam jetzt die Prozession der echten und falschen Krüppel vorbei, derjenigen, die sich absichtlich verstümmelten, um Mitleid zu erregen, und der anderen, die abends Krücken und Verbände von sich warfen. Deswegen hatte man ihrem Unterschlupf auch den Namen »Hof der Wunder« gegeben.
    Aus der Rue de la Truanderie, den Faubourgs Saint-Denis, Saint-Martin und Saint-Marcel, aus der Rue de la Jussienne und der Rue de Sainte-Marie-l’Égyptienne waren die Krätzigen, die falschen Kranken und Krüppel, die Grantner, die Langfinger und die Sefer zusammengeströmt, die zwanzig Mal am Tag sterbend neben einem Prellstein zusammenbrachen, nachdem sie sich eine Schnur um den Arm gebunden hatten, um den Pulsschlag zu unterdrücken. Nacheinander warfen sie ihren Obolus vor das

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