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Angelique Der Gefangene von Notre Dame

Titel: Angelique Der Gefangene von Notre Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Golon Anne
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dröhnenden Lachen, das auf das mörderische Geschrei folgte. Die Frauen an den Fenstern bekreuzigten sich.
    In dem Moment begann eine Glocke silberhell das Angelus zu läuten.
    Eine Salve von gotteslästerlichen, obszönen Flüchen stieg vom Friedhof auf, während die Glocken der anderen Kirchen in das Läuten einfielen.
    Es wurde Zeit, sich aus dem Staub zu machen. Wie Eulen oder Dämonen, die das Tageslicht fürchten, verließen die Mitglieder der Gaunerzunft den Friedhof der Unschuldigen Kinder.
    In der schmutzigen, stinkenden, wie von blassem Blut gerade erst leicht rötlich angehauchten Morgendämmerung stand Calembredaine vor Angélique und sah sie lachend an.

    Â»Sie gehört dir«, sagte der Große Coesre.
    Abermals stürzte Angélique los und rannte auf die Gitter zu. Doch die gleichen brutalen Hände wie zuvor rissen sie zurück und lähmten sie. Ein Knebel aus Lumpen raubte ihr die Luft zum Atmen. Sie wehrte sich, bis sie schließlich das Bewusstsein verlor.

SIEBTER TEIL
    Die Tour de Nesle

Kapitel 24
    H ab keine Angst«, sagte Calembredaine. Er saß auf einem Schemel vor ihr, die riesigen Hände auf die Knie gestützt. Auf dem Boden kämpfte eine Kerze in einem schönen silbernen Leuchter gegen das fahle Tageslicht.
    Â 
    Angélique bewegte sich und sah, dass sie auf einem einfachen Bett lag, auf dem sich eine beeindruckende Zahl von Mänteln aus allen möglichen Stoffen und in allen Farben stapelten. Darunter waren prächtige Umhänge aus goldverziertem Samt, wie sie die jungen Adligen trugen, wenn sie unter den Fenstern ihrer Mätressen Gitarre spielten, aber auch Mäntel aus grobem Barchent, die bequeme Kleidung der Reisenden und Kaufleute.
    Â»Hab keine Angst... Angélique«, wiederholte der Räuber.
    Sie sah ihn aus großen Augen an. Sie zweifelte an ihrem Verstand. Denn er hatte im Dialekt des Poitou gesprochen, und sie verstand ihn!
    Er hob eine Hand ans Gesicht und riss sich mit einem Ruck die Geschwulst von der Wange. Unwillkürlich schrie sie auf. Doch da nahm er auch schon seinen schmutzigen Hut ab und mit ihm die verfilzte graue Perücke. Dann löste er die schwarze Augenbinde.
    Â 
    Jetzt hatte Angélique einen jungen Mann mit groben Zügen vor sich, dessen kurz geschnittenes, schwarzes Haar sich über der eckigen Stirn lockte. Unter den buschigen Brauen fixierten braune Augen die junge Frau, und leise Furcht spiegelte sich in seinem Blick.

    Angélique hob die Hand an die Brust. Sie bekam keine Luft mehr. Am liebsten hätte sie geschrien, aber sie brachte keinen Ton heraus. Endlich stotterte sie wie eine Taubstumme, die die Lippen bewegt und den Klang ihrer eigenen Stimme nicht kennt: »Ni... co... las.«
    Â 
    Die Lippen des Mannes verzogen sich zu einem Lächeln.
    Â»Ja, ich bin es. Hast du mich erkannt?«
    Sie warf einen Blick auf die widerliche Verkleidung, die in einem Haufen neben dem Schemel auf dem Boden lag: die Perücke, die schwarze Augenbinde …
    Â»Dann... dann bist du der Mann, den sie Calembredaine nennen?«
    Er richtete sich auf und schlug sich dröhnend mit der Faust auf die Brust.
    Â»Das bin ich. Calembredaine, der illustre Haderlump vom Pont-Neuf. Ich habe es ganz schön weit gebracht, seit wir uns zum letzten Mal gesehen haben, findest du nicht?«
    Sie sah ihn an. Sie lag immer noch auf dem Lager aus alten Mänteln und war unfähig, sich zu rühren.
    Durch eine vergitterte Schießscharte drang, dicht wie Rauch, in langsamen Windungen der Nebel herein. Vielleicht war das der Grund, warum ihr diese zerlumpte Gestalt, dieser in Fetzen gekleidete Hüne mit seinem schwarzen Bart, der sich auf die Brust schlug und sagte: »Ich bin Nicolas... Ich bin Calembredaine«, wie ein gespenstisches Trugbild erschien.
    Würde sie wieder ohnmächtig werden?
    Plötzlich begann er, auf und ab zu gehen, ohne sie dabei aus den Augen zu lassen.
    Â»Wenn es warm ist, hält man es in den Wäldern ja noch aus«, sagte er. »Ich habe mich mit Salzschmugglern zusammengetan. Danach bin ich im Wald von Mercœur auf eine Bande gestoßen: ehemalige Söldner, frühere Bauern aus dem Norden, entlaufene
Galeerensträflinge. Sie waren gut organisiert, und ich habe mich ihnen angeschlossen. Wir überfielen die Reisenden auf der Straße von Paris nach Nantes. Wenn es warm ist, hält man es in den Wäldern ja noch aus. Aber im Winter

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