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Angelique Der Gefangene von Notre Dame

Titel: Angelique Der Gefangene von Notre Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Golon Anne
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Tuch und breitete ihn über sie. Dann strich er mit einer zärtlichen, beinahe ängstlichen Bewegung flüchtig über ihre Stirn.
    Â 
    Als Angélique aufwachte, erkannte sie, dass dieses Zimmer tatsächlich ein sehr merkwürdiger Ort war. Es war rund, und die Mauern bestanden aus riesigen Steinen wie in einem alten Burgturm. Nur durch eine vergitterte Schießscharte fiel ein wenig Licht herein. Der ganze Raum war angefüllt mit einem Sammelsurium unterschiedlichster Dinge, von zarten, in Ebenholz und
Elfenbein gefassten Spiegeln bis hin zu altem Eisenschrott, Hämmern, Hacken und Waffen …
    Angélique streckte sich und sah sich verwundert um. Dann stand sie auf und griff nach einem der Spiegel, der ihr das fremde Gesicht eines blassen Mädchens mit wilden, starren Augen zeigte. Ihr Blick glich dem einer bösartigen Katze, die ihre Beute belauert. Das Abendlicht überzog ihr wirres Haar mit einem schwefligen Ton. Ängstlich warf sie den Spiegel von sich. Diese Frau mit dem gehetzten, verfallenen Gesicht, das konnte doch unmöglich sie sein...! Was ging hier bloß vor? Warum gab es in diesem runden Zimmer so viele Dinge? Schwerter, große Kessel, Schatullen voller Accessoires, Schals, Fächer, Handschuhe, Schmuck, Gehstöcke, Musikinstrumente, ein Bettwärmer, ganze Stapel von Hüten und vor allem Mäntel, die, alle übereinandergelegt, das Bett bildeten, auf dem sie geschlafen hatte.
    Es gab nur ein einziges Möbelstück, ein zartes Nähtischchen mit Einlegearbeiten aus Tropenholz, das überrascht zu sein schien, sich in diesen feuchten Mauern wiederzufinden.
    Als Angélique die Hand in ihren Gürtel steckte, trafen ihre Finger auf etwas Hartes. Sie packte einen ledernen Griff und zog einen langen, schlanken Dolch hervor. Wo hatte sie diesen Dolch schon einmal gesehen? Es war in einem drückenden, schmerzlichen Albtraum gewesen, in dem der Mond mit Totenschädeln jongliert hatte.
    Der dunkelhäutige Mann hielt ihn in der Hand. Dann war der Dolch auf den Boden gefallen, und Angélique hatte ihn aus dem Schlamm aufgehoben, während zwei Männer einander umklammerten und über den Boden rollten. So war es gekommen, dass sie nun den Dolch von Rodogone dem Ägypter in Händen hielt. Sie schob ihn zurück in ihr Mieder. Ihr Geist versuchte, wirre Bilder zusammenzubringen.
    Nicolas... Wo war Nicolas?

    Sie lief ans Fenster. Zwischen den Gitterstäben hindurch sah sie die langsam fließende Seine, absinthfarben unter dem bewölkten Himmel, mit ihrem unaufhörlichen Hin und Her von Booten und Kähnen. Am anderen Ufer erblickte sie in der anbrechenden Dämmerung die Tuilerien und den Louvre.
    Dieses Bild aus ihrem früheren Leben versetzte ihr einen Schock und überzeugte sie vollends davon, dass sie den Verstand verloren hatte. Nicolas! Wo war Nicolas?
    Sie stürzte zur Tür. Als sie erkannte, dass sie verschlossen und verriegelt war, begann sie mit den Fäusten dagegenzuschlagen und rief laut nach Nicolas. Dabei riss sie sich an dem verrotteten Holz die Fingernägel auf.
    Â 
    Ein Schlüssel knirschte im Schloss, dann tauchte der Mann mit der roten Nase auf.
    Â»Was brüllst du hier so rum, Marquise?«, wollte Jactance wissen.
    Â»Warum ist die Tür abgeschlossen?«
    Â»Weiß nicht.«
    Â»Wo ist Nicolas?«
    Â»Weiß nicht.«
    Er musterte sie und entschied dann: »Komm mit nach unten zu den anderen, das lenkt dich ab.«
    Sie folgte ihm eine steinerne, feuchte und dunkle Wendeltreppe hinab.
    Â 
    Je tiefer sie kamen, desto lauter wurde der Lärm. Sie hörte Gebrüll, derbes Gelächter und kreischende Kinder.
    Die Treppe endete in einem gewölbten Saal, in dem eine Vielzahl wunderlicher Gestalten zusammensaßen. Als Erstes sah sie Cul-de-Bois, der in seiner Schale auf dem großen Tisch thronte wie ein Stück Rindfleisch. Am Ende des Saals brannte ein Feuer, Pied-Léger saß auf der Kamineinfassung und überwachte den
Kessel. Eine dicke Frau rupfte eine Ente. Eine Jüngere widmete sich der wenig appetitlichen Aufgabe, ein halbnacktes Kind zu entlausen, das sie zwischen den Knien hielt. Im ganzen Raum lagen zerlumpte alte Männer und Frauen auf dem mit Stroh bedeckten Boden, und dreckige, in Fetzen gekleidete Kinder balgten sich mit den Hunden um die Abfälle.
    Ein paar Männer saßen auf alten Fässern, die ihnen als Stühle dienten, am Tisch und spielten

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