Angelique und der Koenig
der Hand, die sie liebte, über ihre Stirn, und seine Beherrschung übertrug sich auf sie.
»Ich bitte Euch, verliert nicht Eure Nerven. Madame du Plessis würde es sich nie verzeihen.«
Sie ergab sich. Erschöpft, zerschlagen, lehnte sie ihren Kopf an ihn. Durch die Pforte der Grotte drang der Schein der untergehenden Sonne herein und ließ das Haar des Monarchen rot und golden aufglänzen. Noch nie war sich Angélique in solchem Maße seiner unwiderstehlichen Kraft bewusst geworden. Seitdem sie am Hofe lebte, seit jenem ersten Morgen, da sie sich nach Versailles begeben hatte, um dort zur Frühlingsgöttin gekrönt zu werden, seit jenem Tage hatte sie sich, ohne sich darüber klar zu sein, in der Hand des Königs befunden. Das widerspenstigste Tier freilich, das er je gezähmt hatte. Aber es würde ihm gelingen. Er bewies in allen Dingen die Geduld, die Schlauheit und Kaltblütigkeit der auf der Lauer liegenden großen Raubtiere. Er setzte sich neben sie und presste sie an sich, während er sanft auf sie einsprach.
»Eine wunderliche Liebe ist das zwischen uns, Angélique.«
»Ist es nur Liebe?«
»Auf meiner Seite, ja. Was sonst, wenn nicht Liebe?« sagte er leidenschaftlich. »Angélique... Dieser Name beschäftigt mich unaufhörlich. Wenn ich bei der Arbeit bin, schließe ich plötzlich die Augen, ein leiser Schwindel erfasst mich und der Name tritt auf meine Lippen... Angélique! Nie habe ich Qualen gelitten, die mich in solchem Maße von meinen Pflichten abgelenkt haben. Zuweilen erschrecke ich über die Liebe, die ich in mich eindringen ließ. Die Schwäche, die sie mir verursacht, ist wie eine Wunde, von der ich nicht mehr zu genesen fürchte. Ihr allein könntet mich heilen. Ich träume, ja, es kommt vor, dass ich träume... von der Nacht, in der ich Eure warme, duftende Haut an der meinen spüren werde, von dem ungekannten Ausdruck, den Eure Augen bekommen werden, wenn Ihr in meinen Armen liegt… Aber ich träume von noch köstlicheren Dingen, die mir nur dann unschätzbar erscheinen, wenn sie von Euch kommen. Von einem liebevollen, verschmitzten Lächeln, das Ihr mir aus der Menge heraus am Tage eines Botschafterempfanges schenkt, wenn ich nichts als der König bin, der in seinem schweren Mantel durch die Spiegelgalerie schreitet. Von einem Blick, der sich über meine Sorgen beunruhigt... Von einem Blick, der mein Vorhaben billigt... Von einem übellaunigen, schmollenden Gesicht, das mir Eure Eifersucht beweist. Von all solchen gewöhnlichen und wohltuenden Dingen, die mir fremd geblieben sind.«
»Habt Ihr sie nicht durch Eure Geliebten kennengelernt?«
»Sie waren meine Geliebten und nicht meine Freundinnen. Ich wollte es so. Aber jetzt ist es anders…«
Er betrachtete sie, verschlang ihre Züge mit einem Blick, in dem nicht nur Begehren lag, sondern auch Zärtlichkeit, Bewunderung, Ergebenheit.
Für Angélique war dieser Ausdruck so ungewohnt, dass sie die Augen nicht von den seinen zu wenden vermochte. Sie wurde sich bewusst, dass auch er nur ein einsamer Mensch war, der vom Gipfel seines einsamen Berges nach ihr schrie. In stummer Leidenschaftlichkeit sahen sie einander fragend an.
Das Raunen der Wasserorgel, deren zarte Töne sich mit dem Rauschen des Wassers zu einem unaufhörlichen ländlichen Konzert vereinigten, war um sie wie eine unwirkliche Glücksverheißung. Angélique hatte Angst zu erliegen. Sie brach den Zauber, indem sie sich langsam abwandte.
»Was steht nur zwischen uns, Angélique?« fragte der König leise. »Was trennt uns? Was ist da für ein Hindernis in Euch, an dem ich mich immer wieder stoße?«
Die junge Frau fuhr sich über die Stirn und lachte gezwungen.
»Ich weiß nicht. Vielleicht ist es der Stolz? Vielleicht die Angst? Ich glaube, mir fehlen die Voraussetzungen für den harten Beruf der königlichen Mätresse.«
»Harter Beruf? Ihr liebt die krassen Ausdrücke!«
»Vergebt mir, Sire. Aber lasst mich in aller Offenheit sprechen, solange es noch Zeit ist. Glänzen, sich in Szene setzen, die Bürde der Eifersüchteleien, der Intrigen und... der Seitensprünge Eurer Majestät auf sich nehmen, sich nie selber gehören, ein Gegenstand sein, über den man verfügt, ein Spielzeug, das man wegwirft, wenn es nicht mehr gefällt – es bedarf großen Ehrgeizes oder großer Liebe, um das hinzunehmen. Mademoiselle de La Vallière ist daran zerbrochen, und ich bin nicht so robust wie Madame de Montespan.«
Sie stand unvermittelt auf.
»Bleibt ihr treu, Sire. Sie ist Euch an Kraft
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