Angels - Meine Rache waehrt ewig
gewesen, aber jetzt wurde es langsam ruhiger. Zum Glück. Kristis Füße schmerzten, ihre Klamotten fühlten sich schmutzig an von dem Fett und dem Rauch, die in der Luft hingen und sich auch in den Haaren festsetzten. Nachdem sie sich ein paar Stunden hektisch durch ihren Servicebereich gekämpft hatte, fragte sie sich, warum sie nicht auf ihren Vater gehört und wieder einen Schreibtischjob bei einer Versicherungsgesellschaft angenommen hatte. Es war schließlich nicht so, dass sie hier vom Trinkgeld reich wurde. Trotzdem hatte allein die Erinnerung an die ewigen Stunden, die sie mit den Kunden der Gulf Auto and Life Insurance Company am Telefon verbringen musste, sie gemahnt, ihr Ziel zu verfolgen und True-Crime-Autorin zu werden.
Kristis Magen knurrte. Seit einem Muffin am frühen Morgen hatte sie noch nichts gegessen. Nach ihrer Schicht würde sie sich einen mit Käse überbackenen Mercutio-Burger und ein Stück von König Lears Limettenkuchen gönnen.
Frohes neues Jahr, dachte sie sarkastisch, als sie nach einer Kaffeekanne griff und die halbleeren Tassen auf den Tischen wiederauffüllte.
Eine Gruppe von Frauen kam hereingeschlendert und quetschte sich auf die abgewetzte Bank einer Sitznische.
Kristi schnappte sich vier Plastikspeisekarten und ging zu ihnen. Die Frauen bemerkten sie kaum, so waren sie in ihr Gespräch vertieft. Eine der Stimmen kam ihr bekannt vor. Kristi konnte es kaum glauben, aber als sie den lockigen Hinterkopf betrachtete, wurde ihr klar, dass sie im Begriff stand, Lucretia Stevens zu bedienen, ihre ehemalige Zimmergenossin aus der Zeit als Erstsemester in den engen Räumlichkeiten von Cramer Hall. Kristi erschauderte innerlich. Lucretia und sie waren nie gut miteinander ausgekommen, waren so unterschiedlich gewesen wie Tag und Nacht. Damals war Kristi gern auf Partys gegangen, während Lucretia eher zurückgezogen lebte. Wenn sie nicht gerade lernte, verbrachte sie Stunden damit, durch Brautmagazine zu blättern und Cheetos, ihr Lieblingskäsegebäck, in sich reinzustopfen. Am gesellschaftlichen Leben hatte sie nicht teilgenommen und war auch in ihren Äußerungen über ihren Freund, der auf ein anderes College ging, sehr zurückhaltend gewesen. Kristi hatte den Typ nie gesehen und sich oft gefragt, ob er wohl nur in Lucretias Fantasie existierte.
Die Welt ist klein, dachte sie, als sie die Speisekarten vor die Frauen legte und sie fragte, was sie trinken wollten.
»Kristi?«, sagte Lucretia, noch bevor jemand antworten konnte.
»Hi, Lucretia.« Mein Gott, das wurde jetzt sicher unangenehm.
»Was machst du hier?« Lucretia hatte die Augen weit aufgerissen, vielleicht wegen ihrer Kontaktlinsen, die ihr schon immer ein etwas eulenhaftes Aussehen verliehen hatten.
»Ich möchte eure Bestellung aufnehmen«, sagte Kristi mit einem Lächeln.
»Hey, Leute, das ist Kristi Bentz, meine alte Zimmergenossin aus dem ersten Semester. Ach du meine Güte, das ist ja schon eine Million Jahre her!« Sie lachte. Dann deutete sie auf eine Frau Mitte zwanzig mit einer schmalen Brille und dunkelbraunem Haar, das ihr bis auf die Schultern fiel. »Kristi, das ist Ariel.«
»Hi«, sagte Kristi und trat ungeduldig von einem Fuß auf den anderen.
»Oh, hallo.« Ariel nickte und blickte an Kristi vorbei zur Tür, als hielte sie nach jemandem Ausschau, jemandem, der interessanter war als Kristi.
»Und das hier ist Grace«, stellte Lucretia ihre magere Freundin mit der Zahnspange und der rötlichen Igelfrisur vor. Sie wog garantiert keine fünfzig Kilo. »Das ist Trudie.« Die letzte der jungen Frauen, die neben Lucretia in der Nische saß, war kräftiger gebaut, hatte volles schwarzes Haar, das zu einem langen Pferdeschwanz zusammengefasst war, eine glatte Olivenhaut und weiße Zähne mit einer kleinen Zahnlücke. Alle drei verzogen die Lippen zu einem Lächeln, als Lucretia scheinbar überrascht feststellte: »Du siehst großartig aus, Kristi.«
»Danke.«
»Bentz?«, wiederholte Trudie. »Wart mal ’ne Sekunde. Habe ich nicht was über dich gelesen?«
Da wären wir ja wieder beim Thema, dachte Kristi. »Vielleicht über meinen Vater.
Er
sorgt für die Schlagzeilen.«
»Hm. Er ist bei der Polizei, stimmt’s?«, fragte Ariel. Sie legte den Kopf schief und sah zu Kristi auf. Plötzlich zeigte sie Interesse. »Hat er nicht den Fall in der Our-Lady-of-Virtues-Anstalt gelöst? Vor etwa einem Jahr?« Sie schauderte. »Das war sooo unheimlich!«
Amen, dachte Kristi, die nichts lieber wollte, als dieses
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