Angels of the Dark: Verruchte Nächte
„Aber ich bin schon dreimal gefallen.“
„Was bedeutet, dass du jetzt weißt, was du nicht tun solltest.“
„Sir? Eure große und mächtige Hoheit? Hört Ihr mir zu?“
Die männliche Stimme holte Zacharel aus der Vergangenheit, fort von dem einzigen strahlenden Licht in seinem ansonsten düsteren Leben, katapultierte ihn direkt zurück in die Gegenwart. Mit einem kurzen Blick erkannte er Thane, den selbsternannten Vizebefehlshaber seiner Armee von Engeln. Eine Ernennung, der er nicht widersprochen hatte, trotz des Benehmens, das der Krieger an den Tag legte. Denn Tatsache war: Thane war noch der Beste aus dem Haufen.
Was nicht viel hieß. Jeder Engel in dieser Armee hatte die Gottheit, ihren obersten Herrscher, über die Grenzen ihrer Geduld getrieben. Jeder von ihnen hatte so viele Regeln gebrochen, so viele Gesetze der Gottheit umgangen – es war ein Wunder, dass sie immer noch ihre Flügel hatten. Und ein noch größeres Wunder, dass Zacharel es schon so lange schaffte, sie zu tolerieren.
Er räusperte sich. „Ich höre zu, ja.“ Jetzt.
„Ich bitte untertänigst um Verzeihung, sollte ich Euch gelangweilt haben“, erklang die schnippische Entgegnung.
„Akzeptiert.“
Ein Knacken mit dem Kiefer, als der Engel begriff, dass die Beleidigung an Zacharel abgeprallt war. „Ich habe gefragt, ob Ihr bereit seid, den Angriff zu befehlen.“
„Noch nicht.“
Thane schwebte neben ihm, beide mit weit ausgestreckten, riesigen Flügeln, doch ohne einander zu berühren. Keiner von ihnen mochte es, berührt zu werden. Thane machte natürlichständig Ausnahmen für all die Frauen, mit denen er schlief, doch bei Zacharel gab es solche Ausnahmen für niemanden.
„Ich bin kampfbegierig, Majestät. Das sind wir alle.“
„Ich habe dir schon einmal befohlen, mich nicht mit diesem Titel anzusprechen. Was deine Frage angeht: Ihr werdet wie befohlen warten. Ihr alle.“ Ungehorsam bedeutete Strafe – ein Konzept, mit dem Zacharel mittlerweile eng vertraut war.
Begonnen hatte es ein paar kurze Monate zuvor, als er in den Tempel der Gottheit gerufen worden war, diese heilige Zuflucht, die nur so wenige Engel besuchen durften. Seit dieser unerwarteten Begegnung rieselten Schneeflocken aus dem Gefieder seiner Flügel, ein unaufhörlicher Blizzard und Zeichen des kalten Missfallens seiner Gottheit. Und die Worte der Gottheit, so sanft sie auch gesprochen worden waren, hatten ebenso beißende Kälte ausgestrahlt wie der Schnee. Augenscheinlich hatte Zacharels „schwerwiegende Emotionslosigkeit“ dafür gesorgt, dass er „Kollateralschäden“ während seiner Kämpfe mit Dämonen ignoriert hatte. In mehreren Fällen, so hatte ihm die Gottheit vorgeworfen, hatte Zacharel zugelassen, dass Menschen – die Wesen, für deren Schutz Engel um jeden Preis kämpfen sollten – verletzt oder sogar getötet wurden. Hatte sich entschieden, das Leben seines Gegners zu beenden, statt die angeblich Unschuldigen um ihn herum zu beschützen. Und natürlich war ein solches Verhalten „inakzeptabel“.
Er hatte sich entschuldigt, obwohl er keine Reue über sein Handeln empfand – nur darüber, dass er das eine Wesen erzürnt hatte, das die Macht besaß, sein Dasein zu beenden. Wenn er es ehrlich betrachtete, verstand er nicht, welchen Reiz – oder Nutzen – Menschen haben sollten. Sie waren schwach und hinfällig und behaupteten, alles, was sie täten, geschähe aus Liebe.
„Liebe.“ Zacharel zog abfällig die Mundwinkel nach unten. Als hätten bloße Sterbliche auch nur die geringste Ahnung von selbstloser, lebensspendender Liebe. Damit kannte sich nicht einmal Zacharel aus. Hadrenial hatte sie verstanden – aber über ihn würde Zacharel nicht weiter nachdenken.
Seine Entschuldigung war bedeutungslos, hatte ihm die Gottheitbeschieden. Tatsächlich sogar weniger als bedeutungslos, denn seine Gottheit konnte in den schwarzen Morast in seiner Brust sehen, wo sein Herz voller Emotionen schlagen sollte – es aber nicht tat.
Ich sollte dir die Flügel und die Unsterblichkeit nehmen und dich auf die Erde verbannen, wo du die Dämonen, die unter uns leben, nicht sehen könntest. Wenn du sie nicht sehen kannst, kannst du sie auch nicht bekämpfen, wie du es gewohnt bist. Wenn du sie nicht bekämpfen kannst, kannst du auch die Menschen um sie herum nicht töten. Ist es das, was du willst, Zacharel? Unter den Gefallenen leben und das Leben betrauern, das du einst besessen hast?
Nein, das wollte er ganz und gar nicht. Zacharel
Weitere Kostenlose Bücher