ANGRIFF - Fantastischer Thriller (German Edition)
ein Prim ist. Wenn er das nicht wäre, würde er jetzt irgendwo betrunken in der Gosse liegen, statt an der Darnell Universität zu unterrichten.«
Sie setzten sich wieder in Bewegung.
»Das überzeugt mich nicht. Wenn du darüber nachdenkst, wirst du feststellen, dass er sein Problem mit dem Alkohol nicht überwunden hat, er hat nur eine Möglichkeit gefunden, sich davor zu verstecken. Er hat sein Leben so ausgerichtet, dass er nie in die Nähe von Alkohol kommt, deswegen siehst du ihn auch nie auf den Feiern an der Fakultät. Das ist nicht ein Problem besiegen, es ist davor weglaufen. Das ist die Methode der Feiglinge.«
»Das ist nicht fair. Alkohol ist Gift für ihn. Ich habe gelesen, ein erheblicher Prozentsatz der Alkoholiker hat eine Hirnchemie, die sich deutlich von der von uns anderen unterscheidet, und Alkohol wirkt bei ihnen auf eine Art, wie er es bei dir oder mir nicht tut. Es ist keine Feigheit, etwas zu vermeiden, was giftig für dich ist.«
»Wenn er ein Prim wäre, wäre er in der Lage, sich mit Alkohol zu umgeben und trotzdem keinen Tropfen anzurühren. Oder noch besser, er hätte sich im Griff – er könnte einen oder zwei Drinks nehmen und dann zu Ginger Ale wechseln. Aber er ist kein Prim.«
»Was für ein Scheiß«, sagte Lisl, der das Thema zum Hals heraushing. »Wen interessiert, ob Ev das ist oder nicht? Was soll das alles?«
»Ganz einfach, Lisl«, sagte er langsam. Sie hörte den Ärger in seiner Stimme. »Es geht doch darum: Everett Sanders kann dir intellektuell nicht das Wasser reichen, aber er wird vor dir Karriere machen, weil er ein Mann ist. Es ist das gleiche Muster wie immer. Sie befördern einen der Ihren und setzen einen Prim zurück, wenn sie dann immer noch die Früchte seiner Arbeit und seines Verstandes und seiner Innovationen ernten können, aber das Ansehen und den Status dem geringeren Verstand geben. Es macht mich jedes Mal wieder wütend, wenn ich das mit ansehen muss, und ich werde nicht zulassen, dass dir das passiert!«
»Ganz ruhig, Rafe. Du weißt nicht, ob es so kommen wird. Es macht keinen Sinn, dass du dich so aufregst, wenn …«
»Lisl, die Entscheidung ist bereits getroffen.«
Die Worte trafen sie wie ein Keulenhieb. Sie stolperte gegen Rafe, weil ihre Füße sie nicht mehr tragen wollten.
» Was? Wie kannst du das sagen?«
»Ich habe zufällig mitbekommen, wie dein Freund Sanders im letzten Monat mit Dr. Masterson geredet hat …«
»Letzten Monat? Und du hast mir das nicht gesagt?«
Sie konnte sein Gesicht im Schein der Straßenlaterne sehen. Es wirkte gequält.
»Ich wusste nicht, wie ich dir das sagen sollte. Ich wusste, es würde dich verletzen. Ich … Ich hatte Angst, es würde dich entmutigen.«
Zum ersten Mal, seit sie ihn kennengelernt hatte, wirkte Rafe unsicher. Und alles ihretwegen. Zu jeder anderen Zeit hätte sie das erfreut, aber das warme Gefühl wurde von dem eisigen Wind ihrer wachsenden Wut davongeblasen.
«Was genau hat er gesagt?«
»Ich habe nur einen Teil mitbekommen, aber ich hörte, wie der Dekan sagte, er hoffe, deine Arbeit würde nicht sehr gut werden, weil er sich sonst etwas einfallen lassen müsse, um zu begründen, warum Ev den Job bekommt und nicht du. Er bat Sanders um Vorschläge, wie man dir das schonend beibringen kann, ohne dass du auf die Idee kommst, dich an einer anderen Universität zu bewerben.«
»Und was hat Ev gesagt?«
»Ich weiß es nicht. Ich war zu wütend, um weiter zuzuhören. Sofort danach habe ich angefangen, Evs Vorlesungen zu besuchen. Ich wollte etwas unternehmen, aber ich wusste nicht, was. Jedenfalls da noch nicht. Jetzt weiß ich es.«
»Was?«
Sie fühlte sich betrogen, beschnitten und vollkommen hilflos. Wenn Rafe einen Ausweg wusste, würde sie den nehmen.
»Folge mir.«
Er nahm ihre Hand und führte sie über die Straße. Sie war überrascht, als sie bemerkte, dass sie an einem vertrauten Wohnblock angekommen waren.
»Evs Wohnung? Was wollen wir …?«
»Vertrau mir. Du wirst schon sehen.«
Mit den Duplikaten von Evs Schlüsseln ließ er sie ein und sie stiegen die Treppe zu seiner Wohnung hoch.
»Ist das nicht ein bisschen riskant? Ich meine, er könnte jeden Augenblick zurückkommen.«
»Diese Treffen dauern für gewöhnlich zwei Stunden oder länger.« Er öffnete die Tür und führte sie zur Spüle in der Küche, wo er sich zu ihr umdrehte. »Wir haben eine Menge Zeit.«
»Wofür?«
Rafe griff in die Tasche seines Jacketts und zog ein Reagenzglas
Weitere Kostenlose Bücher