ANGRIFF - Fantastischer Thriller (German Edition)
Sie sind das eigentliche Ziel.«
Bill erhob sich. Er musste sich bewegen, im Raum hin und her gehen. Die Sache wurde immer verrückter. Das konnte nicht sein. Aber es erklärte so viele Dinge. Und es gab allem eine entsetzliche Logik.
»Aber warum, verdammt? Warum ich?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Veilleur. »Aber ich kenne vielleicht jemand, der das wissen könnte. Im Augenblick können wir nicht mit ihr reden. Aber morgen früh rufe ich sie an. Bis dahin schlage ich vor, dass wir uns alle etwas ausruhen.«
Bill tigerte weiter durch das Zimmer.
Ausruhen? Wie sollte er je wieder Ruhe finden, wenn alles, was Danny erdulden musste und alles, was Lisl durchmachte, seinetwegen geschehen war?
XXVII
North Carolina
Lisl schloss den Wagen ab, in dem Ev friedlich schlief, und betrat die Raststätte. Während der letzten halben Stunde hatte er sich ein paarmal geregt und sie hatte gehofft, er würde zu sich kommen, aber er hatte nicht einmal die Augen geöffnet. Sie wartete darauf, dass er endlich aufwachte, damit sie ihn in seine Wohnung verfrachten konnte und selbst etwas Schlaf bekam.
Sie war erledigt. Es war beinahe Morgen und sie war jetzt seit fast 24 Stunden auf den Beinen. In ihrer Studentenzeit hatte es ihr nichts ausgemacht, vor den Prüfungen die ganze Nacht durchzupauken, aber das war zehn Jahre her. Sie hatte sich daran gewöhnt, jede Nacht ausreichend Schlaf zu bekommen.
Wenn sie schon sonst nichts tun konnte, hatte ihr die endlose Fahrerei zumindest Zeit zum Nachdenken gegeben. Ihre Gedanken hatten ihr gegolten, und ihr hatte nicht gefallen, was sie da sah. Wie konnte sie nur so rücksichtslos werden? Wieso konnte sie zulassen, dass Rafe sie in jemanden verwandelte, der Alkohol in den Orangensaft eines Alkoholikers schüttete? Sie verabscheute Rafe, weil er ihr das angetan hatte. Und gleichzeitig wurde ihr heiß vor Lust beim Gedanken an ihn.
Gott, war sie fertig. Sie würde Hilfe benötigen, um danach wieder zu sich zu finden.
Aber zuerst musste sie Ev wieder ins Lot bringen.
Sie fröstelte in der frühmorgendlichen Kühle und ihre Hand zitterte, als sie nach der Tür des Coffee-Shops griff. Das war jetzt wohl ihr achter Halt seit dem an dem Kiosk in Pendleton, und jedes Mal hatte sie einen Kaffee gekauft. Zu wenig Schlaf und zu viel Koffein.
Sie überlegte, wie viele Kilometer sie in dieser Nacht wohl schon gefahren war. Zuerst war sie bei Wills Haus vorbeigefahren. Das Licht war an, die Tür nicht abgesperrt, aber er war nicht da. Dann war sie auf der 40 nach Norden zur Autobahn gefahren, und von da aus die 95 immer weiter. Es gab nur wenig Verkehr. Sie hatte den Tempomat auf 100 Stundenkilometer gesetzt und war immer auf der rechten Spur geblieben. Aber jetzt wurde der LKW-Verkehr dichter. Da bot es sich an, nach Pendleton zurückzufahren.
Frühstückende LKW-Fahrer drängten sich um die Theke. Die meisten von ihnen hatten wohl die Nacht in den Fahrerhäuschen der Brummis verbracht, die auf dem Parkplatz aufgereiht standen, aber einige sahen auch so aus, als kämen sie direkt von der Straße. Die letzte Nacht hatte ihr neuen Respekt vor Fernfahrern eingeflößt.
Sie war sich der bewundernden Blicke bewusst und hörte sogar ein paar anerkennende Pfiffe. Sie warf einen Blick auf sich an einer der verspiegelten Wände und sah eine blasse, hagere Frau mit tiefen Ringen unter den Augen und windzerzausten Haaren.
Die haben sie doch nicht mehr alle!
Wenn sie die ganze Nacht unterwegs gewesen waren, machte das Fernfahrer vielleicht nicht nur müde, sondern auch notgeil und kurzsichtig.
Sie goss sich einen Kaffee ein, fügte zwei Stückchen Zucker hinzu und griff sich einen eingeschweißten Donut. Ein weiteres Pfeifen folgte ihr zur Tür hinaus, als sie bezahlt hatte.
Auf halbem Weg zum Auto erstarrte sie mitten auf dem Parkplatz. Die Beifahrertür stand offen.
Aber sie hatte den Wagen abgeschlossen. Beim Näherkommen bemerkte sie eine Pfütze aus Erbrochenem unter der Tür. Der Wagen war leer. Ev war verschwunden.
Sie stellte den Kaffee und den Donut auf der Kofferraumhaube ab und stieg auf die Stoßstange, um einen besseren Ausblick zu haben. Hektisch musterte sie den Parkplatz, sah jedoch niemanden, der Ähnlichkeit mit Ev hatte. Und dann, weit hinter sich, sah sie eine einsame Gestalt, mager, verloren wirkend, die auf den Highway zustolperte.
Sie rannte hinter ihm her, rief seinen Namen und holte ihn kurz vor der Fahrbahnabgrenzung ein.
»Lisl?«, fragte er und blinzelte sie in dem
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