ANGRIFF - Fantastischer Thriller (German Edition)
weiter, direkt auf die rechte Fahrspur.
Oh nein! Oh mein Gott! Was tut er denn?
Lisl brüllte seinen Namen, aber falls er sie hörte, reagierte er nicht darauf.
Sie begann hinter ihm herzurennen. Es war reines Glück, dass die rechte Fahrspur leer war und er sie unbeschadet überquert hatte, aber er ging einfach weiter auf die nächste Fahrspur und von links brauste ein Laster durch das Dämmerlicht heran. Lisl hörte das gellende Horn; hörte, wie sich das gequälte Kreischen der Bremsen mit ihrem eigenen Schrei mischte, als der Schwertransporter auf Evs winzige Gestalt zuraste. Lisl sah, wie er sich der herandonnernden Masse verchromten Stahls zuwandte. Und im letzten Augenblick, bevor er davon erfasst wurde, drehte er sein Gesicht ihr zu. Für einen Herzschlag traf sich sein gequälter, leidgeprüfter Blick mit ihrem, dann verschwand er in einem roten Nebel vor dem Kühlergrill des Trucks.
Lisl stand einfach nur da am Rand des Highways und schrie, bis ihre Stimme versagte und die Besatzung des Notarztwagens kam und sie wegführte.
XXVIII
Manhattan
Mr. Veilleur war in aller Frühe auf und klapperte in der Küche herum. Bill hatte gar nicht bemerkt, wie hungrig er war, bis der Duft durch die Wohnung zog. Spiegeleier, Schinken, Toast, und der beste Kaffee seit langer Zeit. Alles serviert von Mr. Veilleur persönlich.
Veilleur aß nicht mit ihnen zusammen. Stattdessen stellte er ein Frühstückstablett zusammen und begleitete die Pflegeschwester in das Schlafzimmer seiner Frau. Bill wartete ungeduldig auf seine Rückkehr, sah auf die Uhr, dachte an Lisl, fragte sich, ob sie Everett Sanders gefunden hatte und was sie dem armen Kerl gebeichtet hatte. Bill wusste, sie zählte auf seine Hilfe, aber das hier war wichtiger.
Als Veilleur nach einer halben Stunde wieder in die Küche kam, stellte Bill ihn an der Spüle: »Diese Person, die uns sagen kann, was hier vorgeht – wann können wir sie treffen?«
Veilleur sah auf die Uhr an der Wand.
»Ich kann sie in ein paar Minuten anrufen. Ich will damit warten, bis ihr Mann aus dem Haus ist.«
»Warum?«
»Weil«, Mr. Veilleur blinzelte verschwörerisch, »Mrs. Treece und ich uns heimlich treffen.«
Bill ging zurück ins Wohnzimmer, wo Renny sich Guten Morgen, Amerika ansah, und fragte sich, warum niemand ihm einfach eine klare Antwort geben wollte.
Ein paar Minuten später steckte Veilleur den Kopf ins Zimmer.
»Mrs. Treece wird in einer halben Stunde hier sein.«
Bill fragte, ob er telefonieren dürfe. Veilleur hatte nichts dagegen. Zögerlich griff er nach dem gefürchteten Apparat, aber dann zwang er sich dazu, den Hörer abzunehmen und ihn an sein Ohr zu halten. Als er ein Freizeichen hörte, wäre er fast in Tränen ausgebrochen.
Vielleicht ist es vorbei – wirklich, endgültig vorbei.
Er ließ sich von der Auskunft in North Carolina Lisls Nummer geben, dann rief er in ihrer Wohnung an. Es klingelte geraume Zeit, ohne dass jemand abnahm. Wenn sie nicht zu Hause war, hatte sie Sanders wohl gefunden und ihn in seine Wohnung zurückgebracht. Er rief noch einmal die Auskunft an und ließ sich Everett Sanders Nummer geben, aber auch da nahm niemand ab.
Er hoffte, dass da unten in seiner Abwesenheit nichts passiert war.
Während sie auf die Ankunft dieser Mrs. Treece warteten, hörte er, wie Mrs. Veilleur mit ihrem Akzent aus dem Schlafzimmer rief.
»Glenn! Glenn! Wo ist mein Frühstück? Ich rieche Frühstück! Kriege ich denn nichts? Ich habe Hunger!«
Bill nickte gedankenverloren und hörte zu, wie Veilleur zu ihr ging und seiner Magda geduldig erklärte, dass sie gerade erst ihr Frühstück gegessen hatte und dass es bis zum Mittagessen noch Stunden waren.
»Du lügst mich an!«, sagte die Frau. »Seit Wochen hat mir niemand mehr zu Essen gegeben! Ich verhungere hier!«
Mr. Veilleurs Problem und der Grund für die Pflege rund um die Uhr war ihm jetzt klar: Alzheimer. Und auf einmal war Mr. Veilleur für ihn nicht mehr nur ein geheimnisvoller Mann, der eifersüchtig sein verborgenes Wissen bewahrte, sondern auch ein ganz normaler Mensch, der mit einer schrecklichen Last leben muss.
Doch warum hatte sie ihn Glenn genannt? Laut dem Namen auf dem Türschild unten hieß er Gaston. Er schob den Gedanken zur Seite. Wahrscheinlich ein Kosename.
Der Portier rief kurz darauf an und verkündete, dass Mrs. Treece eingetroffen war. Ein paar Minuten später klopfte es an der Tür und Veilleur ließ sie ein.
Sie war älter, ihr Haar kürzer und modischer, das
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