ANGRIFF - Fantastischer Thriller (German Edition)
einfach: Er musste die Telefone eines nach dem anderen aufspüren, dorthin gelangen und sie funktionsunfähig machen.
Das erste Telefon befand sich direkt vor ihm. Er griff danach, aber eine rundliche Gestalt stand ihm plötzlich im Weg.
»Ach, Will Ryerson!«, sagte eine vertraute Stimme. »Sind Sie das? Lobet den Herrn, mit dem Jackett und der Krawatte hätte ich Sie beinahe nicht erkannt!«
Es war Adele Connors, Lisls Freundin und die Sekretärin der mathematischen Fakultät.
»Hallo Adele. Wissen Sie, ich muss …«
»Oh, Lisl hat so sehr gehofft, dass Sie kommen würden.« Sie sah sich um. »Ist das hier nicht merkwürdig ? Kommt es Ihnen hier nicht komisch vor? Ich meine, sehen Sie sich doch nur diese Bilder an.« Sie senkte die Stimme und deutete auf die abstrakten Gemälde. »Die haben so etwas Gottloses. Aber kein Grund zur Sorge. Der Herr ist bei mir. Und Lisl wird sich so sehr freuen, dass Sie da sind.«
»Hmm hmm.«
Er versuchte um sie herumzuschlüpfen, aber an Adeles Umfang war nicht vorbeizukommen.
Mein Gott, das Telefon!
»Sie wollte unbedingt, dass Sie kommen, meinte aber, Sie würden es wohl nicht tun. Also habe ich letzte Nacht zu unserem Herrn gebetet, dass Sie kommen mögen, und sehen Sie? Da sind Sie!«
Er spürte, wie ihm am ganzen Körper der Schweiß ausbrach. Jede Sekunde würde das Telefon klingeln. Jede Sekunde …
»Ich muss telefonieren, Adele.«
»Wissen Sie«, plapperte sie weiter, »die wenigsten Leute an der Universität wissen die Macht des Gebets zu schätzen. Gerade vorgestern noch …«
Will drängte sich an ihr vorbei und hechtete zum Telefon. Er riss den Hörer von der Gabel.
Geschafft! Zumindest für den Augenblick. Wenn der Hörer nicht auf der Gabel lag, konnte es auch nicht klingeln.
Das war sein ursprünglicher Plan gewesen: Das Telefon finden und den Hörer danebenlegen. Aber dann würde es tuten oder jemandem fiel auf, dass der Hörer nicht auf der Gabel lag und ihn wieder zurücklegen. Sein neuer Plan war besser.
Er schirmte das Telefon mit seinem Körper gegen den Rest des Zimmers ab. Dann griff er hinter den Apparat und zog den Stecker heraus. Dieses Telefon war jetzt vom Rest der Welt abgeschnitten. Kein Kabel, keine Anrufe. Einfach, aber wirksam.
Er legte den Hörer auf und drehte sich wieder zu Adele um. Sie sah ihn seltsam an.
»Was war denn so wichtig, dass Sie mich fast umrennen mussten, um an das Telefon zu kommen?«
»Tut mir leid. Ich musste etwas überprüfen. Aber die Leitung ist tot.« Er sah sich im Raum um. »Wo ist denn unsere Gastgeberin? Ich würde ihr gern Guten Tag sagen.«
»Ich schätze, in der Küche.«
Die Küche. Wahrscheinlich war auch da ein Apparat.
»Danke, Adele. Wir sehen uns noch.«
Will schob sich durch das Wohnzimmer, ging rechts um eine Ecke, dann links zum hinteren Teil der Wohnung und da war die Küche. Und auch Lisl. Sie setzte Kanapees auf ein Backblech und verteilte sie gleichmäßig, bevor sie das Blech in den Ofen schob.
Will musste stehen bleiben und sie ansehen. Sie trug weiß, das gleiche Weiß wie der Rest der Wohnung, ein Kleid aus einem weichen Stoff, der sich an all den richtigen Stellen an den Körper schmiegte. Das Weiß wurde nur durch den roten und grünen Fleck eines Ilex-Zweigleins über der linken Brust gebrochen. In seinen Augen war sie immer attraktiv gewesen, aber heute war sie schön. Strahlend.
Wer auch immer gesagt hatte, weiß stehe Blondinen nicht, hatte offensichtlich Lisl noch nicht gesehen.
Sie blickte auf und sah ihn. Ihre Augen weiteten sich.
»Will!« Sie wischte sich die Hände an einem Geschirrtuch ab und umarmte ihn. »Dass du da bist! Ich kann es gar nicht glauben. Du hast gesagt, du würdest nicht kommen!«
»Nach deiner Notiz habe ich es mir anders überlegt.«
»Ich bin ja so froh.« Sie umarmte ihn noch einmal. »Das ist toll!«
So angenehm die Berührung auch war, Will konnte sie gerade nicht genießen. Er sah sich über ihren Kopf hinweg um, auf der Suche nach einem Telefon. Er bemerkte es neben dem Kühlschrank. Es war an die Wand montiert.
Wie sollte er das außer Betrieb setzen?
Sachte schob er Lisl auf Armeslänge zurück.
»Lass dich ansehen«, sagte er, während seine Gedanken rasten. Ein Wandtelefon – daran hatte er gar nicht gedacht. »Du siehst bezaubernd aus!«
Ihre Augen strahlten, ihre Wangen waren gerötet. Sie wirkte aufgeregt. Und glücklich. Es war so schön, sie glücklich zu sehen. Aber er musste etwas wegen dem Telefon unternehmen.
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