ANGRIFF - Fantastischer Thriller (German Edition)
ob …
Bill hockte sich hin und ließ die Hand über die Halme streichen. Trotz des Ortes, trotz der Schrecken und dem Elend, das er in den letzten drei Tagen erduldet hatte, musste er lächeln.
Plastik.
Er bohrte einen Finger unter die Kante und zog. Der Kunstrasen löste sich und offenbarte einen Fleck kalter, brauner, nackter Erde darunter. Sein Lächeln verging, als ihm klar wurde, dass es den Gärtnern von Tall Oaks selbst nach fast zwanzig Jahren nicht gelungen war, etwas auf Jims Grab wachsen zu lassen. Er sah auf zu der flachen Granitplatte mit den Messingbuchstaben.
»Was ist hier los, Jim?«, fragte er laut. »Was geht hier vor?«
Keine Antwort, natürlich nicht, aber dann setzte sein Herz für eine Sekunde aus, als er die Daten auf Jims Grabstein bemerkte:
6. Januar 1942 – 10. März 1968
10. März …
Heute war der 13. März – seine Eltern waren vor drei Tagen lebendig verbrannt … in den frühen Stunden des 10. März.
Plötzlich schien ihm der Wind auf Tall Oaks erheblich kälter, das Sonnenlicht weniger hell. Bill ließ die Ecke des Kunstrasens wieder zurückfallen und erhob sich.
Als er den Abhang hinunterging, rasten seine Gedanken. Was hatte das zu bedeuten? Jim Stevens, sein bester Freund, war am 10. März eines gewaltsamen, schrecklichen Todes gestorben, und jetzt waren seine Eltern auf ebenso schreckliche Weise am gleichen Tag umgekommen.
Zufall? Natürlich. Aber er konnte sich des Gedankens nicht erwehren, dass es hier irgendeine Botschaft gab, eine Warnung.
Aber wovor?
Er schüttelte den Gedanken ab. Abergläubischer Unsinn.
Er kehrte zum Grab seiner Eltern zurück, sprach ein letztes Gebet über ihren Särgen und ging dann zu seinem Wagen.
2.
Die Jungen in St. F’s warteten alle auf ihn, als er wieder seinen Dienst antrat. Sie schwärmten wie die Bienen um den Korb, den sein Büro bildete. Seit dem Feuer war er nur einmal für ein paar Minuten da gewesen, wie ein Dieb in der Nacht, um sich Kleidung zum Wechseln zu holen, bevor er nach Long Island zurückraste. Pater Lesko ließ ihn in der Sakristei der Kirche Unserer Lieben Frau Von Den Ewigen Schmerzen übernachten, bis die Totenfeier und die Beerdigung vorbei waren. Aber es war unverkennbar, dass die Jungen alle wussten, was passiert war. Vor allem, weil so viele von ihnen ihm nicht in die Augen sehen konnten, als er sie einen nach dem anderen mit Namen begrüßte.
Was hatten sie hier seit dem letzten Sonntag getuschelt? Er konnte es fast hören: Hey, wisst ihr schon? Pater Bills Leute sind letzte Nacht bei einem Feuer verbrannt! … Nein! … Doch! Vollkommen verkokelt! … Kommt er wieder zurück? … Wer weiß?
Bill wusste es. Er würde immer zurückkommen. Er würde so lange hierherkommen, bis das Waisenhaus endgültig geschlossen wurde. Kein persönlicher Verlust, und möge er noch so groß sein, würde ihn daran hindern, dieses Versprechen zu halten.
Nur wenige der Jungen lächelten. Freuten sie sich denn nicht, ihn zu sehen?
Als er seinen Schlüssel in das Schloss seiner Bürotür steckte, trat Marty Sesta aus der Gruppe vor. Er war einer der ältesten Jungen in St. F’s und einer der größten. Er neigte dazu, die anderen das spüren zu lassen, aber im Grunde war er ein guter Kerl.
»Hier, Pater«, sagte er und hielt den Blick gesenkt, als er Bill einen großen Umschlag entgegenstreckte, »das ist von uns.«
»Wer ist ›uns‹?«, fragte Bill und nahm den Umschlag.
»Von uns allen.«
Bill öffnete den Umschlag. Darin steckte ein doppelt gefaltetes Zeichenblockblatt. Jemand hatte eine Sonne hinter einer Wolke gemalt. Unten war eine gerade grüne Linie, aus der ein paar tulpenförmige Blumen sprossen. In Druckbuchstaben gemalte Worte hingen in der Luft. Es tut uns leid wegen deiner Mom und deinem Dad, Pater Ryan.
»Danke, Jungs«, würgte Bill hervor, trotz dem riesigen Kloß in seiner Kehle. Er war gerührt. »Das bedeutet mir eine Menge. Ich … Wir sehen uns alle später, in Ordnung?«
Sie nickten und winkten, gingen dann und ließen Bill allein zurück, der grübelte, wie sehr Kinder einen doch immer wieder zum Staunen brachten und was sie mit einem Blatt Papier und Wachsmalstiften bewirken konnten. Er hatte etwas Mitgefühl von ihnen erwartet, aber nicht diese Art geschlossener Anteilnahme. Er war tief berührt.
»Bist du traurig?«, fragte eine vertraute kleine Stimme.
Bill sah auf und sah blondes Haar und blaue Augen. Danny Gordon stand in der Tür zu seinem Büro.
»Hallo, Danny. Ja, ich bin
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