Angst (German Edition)
wunderte, warum ich nicht bei dieser schönen, klugen, großartigen Frau war, gab ich mir einen Wohnsitz in Frankfurt, Dienstreise nach Berlin, großes Vermissen. Pling, eine SMS, das ist sie, sagte ich. Soo müde, las ich, arbeite du schön, mein armer Mann, und küss mich, wenn du zu mir ins Bett kommst, ja? Sie geht jetzt schlafen, sagte ich zu dem Barmann, der mir noch einen Negroni mixte, wir lächelten beide in unserer Rührung. Unverbrüchlich war ein Wort, das ich bei diesen Gelegenheiten häufig benutzte, wir haben auch Probleme, sagte ich zu Barmännern, Freunden, Bekannten, es geht auf und ab, man kennt das ja, aber eines ist immer klar: Unsere Ehe ist unverbrüchlich. Was für ein kraftvolles Wort. Vielleicht fing es auch damit an, mit diesem Wort, aus dem totale Zusammengehörigkeit klingt, Ewigkeit. Ich war zufrieden mit der Behauptung von Unverbrüchlichkeit. Wie töricht es ist, eine Ehe gerade in diesen Zeiten mit einem solchen Wort auszustatten, Zeiten, in denen die Ehe nicht mehr von gesellschaftlichen Konventionen gestützt wird. Man kommt zusammen, macht, wozu man Lust hat, geht auseinander, alles okay, keine Konvention ist verletzt, da es für diesen Bereich keine mehr gibt. Wir müssen es allein schaffen.
Rebecca und ich haben das nicht besonders gut geschafft. Wenn ich nach Hause kam, wurde meine Stimme leiser, meine Haltung leicht gebückt, ich war kleiner, langsamer, ein unscheinbarer Mensch, weitgehend ohne Regungen. So ging ich durch die Tür, Umarmung, ein paar routinierte Worte zu meiner Frau, dann die Kinderzimmer. Nach den Stunden mit Paul und Fee redete ich nicht mit meiner Frau, sondern las ein Buch, ein weiterer Abend ohne Austausch, aber im Geiste der Unverbrüchlichkeit. So war das wahrscheinlich. Ich beruhigte mich mit diesem kraftvollen, fürchterlichen Wort, wenn mir für Momente bewusst wurde, dass meine Ehe gerade einen langsamen Tod starb.
Ich bin ein Schweiger, ein Mensch, der nichts vermisst, wenn er tagelang kein Wort gesagt oder gehört hat, was ich immer bei meinen Denkklausuren merke, fünf Tage auf Amrum, Spaziergänge im Watt, in den Dünen, Nachdenken, Zeichnen im Café, im Restaurant, kurzer Austausch mit Kellnern, Anfordern und Bestätigen von Dienstleistungen, kein Wort zu viel. Es geht mir gut mit mir selbst. Wahrscheinlich, dachte ich einmal, bin ich der einzige Mensch, mit dem ich mich nie langweile. Ich tröstete mich zudem mit der Erkenntnis, dass die einzigen Gespräche, bei denen es keine Missverständnisse gibt, Selbstgespräche sind, berauschte mich geradezu an solchen Erkenntnissen. Wie töricht ich war.
Mit meiner Frau kann man sich eigentlich nicht langweilen. Sie ist klüger als ich und alle, die ich kenne, sie ist mitteilsam und originell, sie hat ein heiteres, gelassenes Gemüt, einen guten Humor, und ihr ganzes Wesen ist von einer sanften Eleganz bis hin zu ihren schwebenden Schritten. Wenn ich zu Hause am Schreibtisch sitze, kann sie mich erschrecken, indem sie plötzlich von hinten eine Hand auf meine Schulter legt. Ich höre nicht, dass sie heranschwebt, und Rebecca trägt auch zu Hause gerne hohe Schuhe, und wir haben Parkett in unserer Wohnung. Gut, ich kann beim Arbeiten sehr versinken, aber kennt jemand eine Frau, die nahezu lautlos auf hohen Schuhen über Parkett gehen kann? Über die Dichterin Anna Achmatowa sagte einmal ein Hausmädchen: «Die berührt den Boden nicht, wenn sie läuft …» So ist meine Frau.
Sie hat etwas Pech mit ihrer Stimme, die ziemlich hoch ist und leicht kippt, aber das macht normalerweise nichts. Unsere alltäglichen Streite sind nicht schlimm, es sind eher Verkantungen, die wir bald auflösen. Randolphrandolphrandolph, sagt Rebecca, nachdem alles Wesentliche gesagt ist und nur noch zerstörerische, zuspitzende Wiederholungsschleifen kommen könnten, und schüttelt den Kopf. Rebeccarebeccarebecca, sage ich, schon grinsend und im selben Tonfall von Vorwurf und Vergebung, und schüttele ebenfalls den Kopf. Oder ich sage Rebeccarebeccarebecca, und dann sagt sie Randolphrandolphrandolph. Dieses versöhnliche Echo bleibt nie aus, da können wir uns aufeinander verlassen.
Aber leider gibt es nicht nur diesen alltäglichen Streit. Meine Frau, die so wunderbar gelassen und heiter ist, kann vollkommen die Nerven verlieren, kann explodieren wie ein Selbstmordattentäter, um mal einen geschmacklosen Vergleich zu wählen, aber irgendwie trifft er auch, weil Rebecca in diesen Anfällen ihr schönes Wesen zerstört und
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