Angst sei dein Begleiter: Thriller (German Edition)
der Leiche für die anonyme Meldung benutzt worden war.
»Ich glaube, sie hat ihren Mörder gekannt«, sagte Larry. »Nach ihrem Tod hat er sie mit liebevoller Aufmerksamkeit bedacht. Es passt einfach nicht, dass der Mörder ein Fremder war.«
»Aber wir dürfen diesen voreiligen Schluss nicht ziehen«, sagte Tyler. »Im Augenblick liegen uns einfach nicht genug Fakten vor, um überhaupt Schlüsse ziehen zu können.«
»Wie gehen wir vor?«, fragte Larry. Alle Blicke richteten sich auf Tyler.
»Larry, du fasst noch einmal bei der Zimmergenossin nach und besorgst eine Liste von allen, die Kerry kannten, Ex-Freunde, Mitarbeiter, was auch immer. Frag nach, ob es Probleme wegen Drogen oder Spielsucht gab. Du kennst den Ablauf. Sam, du überprüfst ihre Kontobewegungen. Finde heraus, ob sie jemandem Geld schuldete, ob ihre Kreditkarte seit der Zeit ihres Verschwindens belastet wurde. Jennifer, du redest mit ihrer Familie und verfolgst die Spur dieses Brautkleids. Ich will wissen, wo es gekauft wurde und von wem. Ihr alle meldet euch heute Abend um achtzehn Uhr wieder hier.«
Innerhalb weniger Minuten hatten sich sämtliche Detectives aufgemacht. Tyler blieb am Tisch zurück und starrte auf die abwischbare Tafel, die gleichzeitig als Schwarzes Brett diente.
Dort waren die Fotos vom Tatort angebracht, und er betrachtete sie intensiv, suchte nach etwas, irgendetwas, das ihm zuvor vielleicht entgangen war. Larry hatte recht: Der Mörder hatte sich wirklich große Mühe mit seinem Opfer gegeben. Er hatte sie nicht nur angekleidet, sondern, wie Tyler vermutete, auch sorgfältig geschminkt, ihr die Nägel manikürt und das Haar frisiert.
Himmel, Tyler konnte nur hoffen, dass Kerry Albright ihren Mörder gekannt hatte und dass dies ein Einzelfall war, weil der Täter hinter der hübschen Blondine her gewesen war und auf drastische Weise eine alte Rechnung beglichen hatte.
Denn falls nicht, fahndeten sie nach einem Fetischisten, einem Wahnsinnigen, der perverse Phantasien in die Tat umsetzte. Und wenn das stimmte, dann war dieser Mord erst der Anfang.
Er starrte das Foto an, das er an die kleine Pinnwand geheftet hatte, und atmete tief und schaudernd durch. Sie war hübsch – eine perfekte Nachbildung der Puppe. Doch er hatte sie loswerden müssen, als sie anfing zu verwesen.
Er war so traurig gewesen, als er sie im Graben zurückließ. Er wollte, dass jemand sie entdeckte, bevor sein Werk völlig zerstört war, deshalb hatte er angerufen und gemeldet, wo sie zu finden war.
Jetzt lockte die Vitrine, und er stellte sich davor und betrachtete die kleinen Puppendamen hinter dem Glas. Tock. Das Geräusch des Stocks, mit dem seine Mutter auf den Boden stieß, durchzuckte ihn. Tock. Tock. TOCK .
Junge, hörst du nicht? Komm her. Ich brauche dich. Tock. Tock. TOCK .
Ein kalter Schauer durchfuhr ihn. Er fragte sich, ob es ihm je gelingen würde, dieses Geräusch aus seinem Kopf zu verbannen. Das Klopfen des Stocks … den Klang ihrer Stimme … Es waren Missklänge, die sein Gehirn unablässig marterten.
Er wusste, dass sie in der Hölle schmorte. Er hatte nachgeholfen, sie dorthin zu verfrachten, aber sie wollte einfach nicht still sein, und immer, immer ging es um die Puppen. Die verdammten Puppen.
Sein Blick fiel auf die Fanny-Flapper. Er erinnerte sich gut an den Tag, als seine Mutter sie gekauft hatte. Einen Monat lang hatte er kein Geld für die Schulspeisung bekommen, nur damit sie ihre geliebte Puppe kaufen konnte.
Er öffnete die Vitrine und schloss die zitternden Finger um die schmale Taille der Puppe. Die goldenen Fransen an ihrem Kleid kitzelten seine Hände, die roten, geschwungenen Lippen lächelten, als teile sie ein Geheimnis mit ihm. Ihr Gesicht war von wilden, schwarzen Locken umrahmt, die von einem Stirnband, das der Flapper-Mode der Zwanziger entsprach, gebändigt wurden.
In den Zwanzigern hätte ich ein junges Mädchen sein sollen. Ich hätte tanzen, selbstgebrannten Gin trinken und Spaß haben sollen. Dann hätte ich deinen Vater, diesen Versager, nicht geheiratet. Hätte kein Kind bekommen, das auch ein Versager ist.
Lärm. Dieser Lärm. Er ließ die Puppe los und hielt sich die Ohren fest zu, um den Lärm auszuschalten
»Aufhören«, flüsterte er verzweifelt. »Hör gefälligst auf.«
Er wusste nicht, wie lange er so dagestanden hatte, wie erstarrt, die Hände fest auf die Ohren gepresst. Endlich verstummte der Lärm, und er atmete tief durch. Puppen. Seine Mutter hatte ihre Puppen
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