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Angst über London

Angst über London

Titel: Angst über London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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verstummte die Musik. Die Platte war abgelaufen.
    Die Stille machte mich für einen Moment nervös. Ich blieb dicht hinter der Tür stehen und spürte auf meiner rechten Schulter den Druck der Maschinenpistole und fragte mich, ob es nicht lächerlich war, hier diese Waffe mitzuschleppen. Aber was war in dieser verdammten Zeit schon normal? Was konnte man als unnormal bezeichnen?
    Ich wusste es nicht.
    »Kommen Sie ruhig näher«, lockte mich eine Frauenstimme und durchbrach meine Gedanken.
    War das Asmodina? Hockte sie in dieser Bar und wartete auf mich?
    Kaum, das wäre ihrer nicht würdig gewesen. Die Teufelstochter brauchte immer irgendeinen Rahmen, in dem sie sich aufhielt. Zigarettenrauch quoll mir entgegen. Ich sah die Glutspitze direkt vor mir. Die Frau rauchte. Jetzt erkannte ich sie. Sie hockte auf einem Stuhl und hatte die Beine lässig übereinandergeschlagen. Die Zigarette hing zwischen ihren Lippen. Sie wollte wohl einen leicht verruchten Eindruck erwecken, doch das schaffte sie nicht.
    Dazu musste man einfach geboren sein. Diese Frau war es nicht.
    Sie war eine Dame.
    Eine wirkliche, keine vom horizontalen Gewerbe. Und sie erweckte meine Neugier. In einer Stadt der Trümmer und des Grauens war diese Frau wie eine zarte Pflanze der Hoffnung.
    Sie lächelte mir entgegen. »Partner«, sagte sie.
    »Wieso?«
    »Sind wir nicht Partner? Allein gelassen im Chaos?«
    »Vielleicht.« Ich schritt tiefer in diese Bar hinein und sah das Durcheinander auch hier.
    Zwangsläufig verspürte ich großen Durst. »Gibt es hier etwas zu trinken?« fragte ich.
    »Ein paar Whiskyflaschen sind noch heil geblieben.«
    »Das meine ich nicht. Ich habe Durst und suche etwas Antialkoholisches.«
    »Da kann ich Ihnen nicht helfen.«
    Ich ging hinter die Bar. Dabei watete ich im Schnaps und Likör. Der Gestank war widerlich. Unter der Theke befanden sich normalerweise die Kühlfächer.
    Das war auch hier der Fall. Ich zog die Tür eines Kühlschranks auf und fand kleine Flaschen mit Sodawasser.
    Zwei nahm ich heraus, drehte bei einer den Verschluss auf und trank sie in einem Zug leer.
    Das tat gut. Auch die zweite Flasche öffnete ich, nahm aber noch keinen Schluck. Mit ihr in der Hand kam ich wieder hinter der Bar hervor und gesellte mich zu der schönen Unbekannten.
    Sie schaute mir entgegen.
    Trotz der schwachen Beleuchtung erkannte ich, dass sie grünblaue Augen besaß. Eine wirklich seltsame Farbmischung. Ihr grüner Pullover zeigte einen V-Ausschnitt, und als sie sich jetzt weiter vorbeugte, sah ich die Ansätze ihrer Brüste.
    Ich schluckte.
    Irgendwie wirkte diese Frau auf mich erotisierend.
    Sie machte mich regelrecht an, wie man heute sagt. Ihr braunes Haar war schon als wellige Flut zu bezeichnen. Als diese fiel es auch auf die Schultern. Hinter ihr hing ein Mantel über der Stuhllehne. Ich senkte meinen Blick.
    Sie lächelte. »Woran denken Sie?« fragte die Schöne.
    »An Sie.«
    »Danke für das Kompliment. So etwas hört eine Frau immer gern.«
    Ich schüttelte den Kopf. Es war Wahnsinn, es war irre. Man muss sich das einmal vorstellen. Da stand ich mitten in einem zerstörten London und flirtete mit einer Frau. Um uns herum das reinste Chaos, Verderben, der Untergang.
    Doch an diesem Tag schienen sämtliche Gesetze über den Haufen geworfen zu sein.
    Und wie schnell fanden wir Menschen uns damit ab. Ich nahm wieder einen Schluck.
    »Wollen Sie sich nicht setzen?« fragte sie.
    »Wenn ich darf.«
    Sie lachte. Auch das gefiel mir. »Sagen Sie lieber, falls ich einen Stuhl finde.«
    Den suchte ich. Hinten in der Bar lagen mehrere auf dem Boden, die noch zu benutzen waren. Ich nahm einen mit und stellte ihn im Winkel von 90 Grad zu der Frau auf. Dann ließ ich mich darauf nieder.
    Sie fragte nach einer Zigarette. Ihre Packung war leer.
    Ich hatte meine noch halb voll, gab ihr einen Glimmstängel und zündete mir selbst einen an. Über die Flamme meines Feuerzeugs hinweg schaute sie mich an, nickte und nahm einen tiefen Zug.
    »Woran denken Sie?«
    Ich hob die Schultern. »Ich frage mich, wer Sie sind?«
    »Ich heiße Miriam di Carlo«
    »John Sinclair.«
    Während meiner Antwort behielt ich sie im Auge.
    Sie zeigte mit keiner Reaktion an, dass sie den Namen schon mal gehört hatte. Er schien ihr neu zu sein. »Und wie kommen Sie hierher?« wollte ich wissen.
    »Ich hatte Glück.«
    »Mehr nicht?«
    »Nein, nur Glück. Ich befand mich in einem Keller, als es passierte. Ich blieb so lange dort hocken, bis ich sicher sein

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