Angst vor dem Blutbiss
diesen Ort hier verlassen sollen…«
»Das sagte meiner auch«, meldete sich Marisa. Katja nickte nur.
»Aber wir sind nicht gegangen«, fuhr Marisa Melli fort.
»Wir sind geblieben. Wir stehen dicht vor dem Abschluß, das haben wir unseren Vätern auch klarmachen können. Es stimmt alles, es ist alles so wunderbar. Es kommt vieles zusammen, wir können es drehen und wenden, wie wir wollen, wir müssen aber den Tatsachen ins Auge sehen. Es gibt ihn, Mädchen!« erklärte Susan Carrigan burschikos, obwohl sie eine Gänsehaut bekommen hatte. »Und unsere Väter wissen es.«
»Wobei sie nicht mit uns darüber gesprochen haben«, sagte Katja Lagemann leise.
»Hättest du das an ihrer Stelle getan?«
»Wahrscheinlich nicht.«
»Eben.«
»Es klingt auch zu unglaubwürdig«, flüsterte Marisa und beobachtete durch das Fenster die Dämmerung.
»Es stimmt aber«, sagte Susan. »Dazu kenne ich meinen Vater einfach zu gut. Würde es nicht stimmen, hätte ich etwas gemerkt. Dann hätte er ganz anders reagiert.«
»Sie wollen Hilfe schicken«, sagte Marisa.
»Experten«, stimmte Katja zu.
Susan nickte und erhob sich. Drei kleine Schränke standen im Raum, dazu drei Betten, es gab den Tisch, es gab Stühle, es gab auch noch kleine Schreibtische, an denen die Mädchen arbeiten konnten. Susan ging zu ihrem Schrank und zog die Tür auf. Sie ließ das Badetuch fallen, so daß ihre Freundinnen auf ihren nackten Körper schauen konnten. Sie beneideten Susan um ihre Figur. Sie war toll gewachsen, und die Jungen drehten sich häufig nach ihr um. Aber auch Susan wußte genau, was sie wollte. Nur nicht binden, nur keinem Typen Hoffnungen machen.
Nein, nein, lieber solo bleiben, hin und wieder spielen und ansonsten erst einmal an die Zeit nach der Schule denken, an das Studium.
Sie streifte einen dünnen Slip über und ein T-Shirt, das ihr bis zu den Hüften reichte. Auf der Vorderseite trug es als Aufdruck einige Figuren der Flintstones, die seit kurzem wegen des Films in aller Munde waren.
Susan setzte sich wieder zu den anderen an den Tisch. »Was machen wir?« fragte sie.
»Ich hole erst mal was zu trinken«, sagte Marisa. Sie stand auf. Die Flasche Rotwein holte sie unter dem Bett hervor, den Weißwein entnahm sie dem Kühlschrank. Die Flaschen waren noch halbvoll, und es glich schon einer Zeremonie, daß Marisa den Roten trank und ihren beiden Freundinnen den Weißen überließ.
Gläser hatte sie auch besorgt, sie schenkte selbst ein und fragte dann:
»Worauf sollen wir trinken?«
Marisa und Katja schauten sich an.
»Fällt euch nichts ein?«
»Im Moment nicht.«
»Dann trinken wir doch auf die nächste Nacht und darauf, daß sie störungsfrei abläuft.«
»Gute Idee«, lobte Marisa.
Auch Katja hob ihr Glas. Über die Ränder hinweg schauten sich die drei Schülerinnen und Freundinnen an, aber keine von ihnen konnte richtig lächeln.
»Nein«, sagte Marisa Melli plötzlich, »nein, dieser Trinkspruch gefällt mir nicht.«
»Hast du einen besseren?«
Sie nickte Susan zu. »Den habe ich tatsächlich. Wir trinken einfach auf unsere Väter. Ist das gut? Ist das okay?«
Plötzlich konnte auch Katja lachen. »Das ist eine tolle Idee. Auf die Väter.«
»Auf die Väter.«
»Jawohl.« Die Gläser klangen gegeneinander, und der helle Ton schwang durch das Zimmer. Es sah so aus, als wäre er für sie genau das richtige Zeichen gewesen, denn die drei Schülerinnen lächelten, und dieses Lächeln sah echt aus.
Sie tranken, sie stellten die Gläser ab, sie unterhielten sich, tranken wieder und warfen hin und wieder scheue Blicke nach draußen, als wäre hinter der Scheibe jemand aufgetaucht, der sie heimlich beobachtete und nur darauf wartete, daß sie einen Fehler begingen.
Die Mädchen verhielten sich normal. Sie kümmerten sich auch nicht um das, was außerhalb des Zimmers vor sich ging. Sie hörten wieder Stimmen auf dem Flur, hin und wieder das Zuschlagen einer Tür, auch Autos, die vom Parkplatz des Internats fuhren, eben die normale Kulisse, die man erwarten konnte.
»Keiner unserer Väter hat gesagt, was unternommen werden soll«, murmelte Katja, »das finde ich schon seltsam.« Sie schaute in ihr Glas, als könnte ihr der Wein die Lösung präsentieren.
»Das sehe ich lockerer«, meldete sich Susan. Sie wippte mit dem Stuhl.
»Wenn mein alter Herr etwas in die Hände nimmt, dann klappt das. Und bei euren ist das auch so. Die waren früher hier ein berüchtigtes Trio, und da muß etwas gewesen sein, daß
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