Angst vor dem Blutbiss
anderen stand, daß ihr niemand etwas anhaben konnte, und sie drückte einmal ihren Kopf zurück in den Nacken, um zur Decke zu schauen.
Über ihr waren sie.
Über ihr lebten sie.
Menschen – Nachschub in jeder Menge. Blut, frisches, herrliches Blut, das in den Adern von Schülern und Schülerinnen floß. Inzwischen wußte Susan, wo sie sich befand. Trotz des dämmerigen Lichts kannte sie sich aus. Sie bewegte sich in einer Umgebung, die sie beim besten Willen nicht als fremd ansehen konnte. Hier ging alles glatt, hier waren die Räume, die Keller, die Verstecke.
Auch für sie.
Der Vampir hatte es gut, sogar sehr gut mit ihr gemeint. Für sie war er ein übergroßer Ziehvater, sie war ihm so unendlich dankbar, denn sie hatte ihm den Schritt in diese neue Welt zu verdanken.
Und doch, trotz aller Euphorie, hatte sie den Eindruck, völlig trocken zu sein. Keine Flüssigkeit im Körper. Alles war ausgedörrt. Jede Bewegung schabte und knisterte.
Wo war das Blut?
Sie knurrte. Die Gier steigerte sich, sie ging schneller, und sie näherte sich dem Licht.
Nach wie vor brannte es ruhig. Und es war wichtig für denjenigen, der in ihm arbeitete.
Der Mensch… Das Opfer…
Sie knurrte leise. Die Arme schwangen bei jedem Schritt an den Seiten mit. Sie schloß die Hände zu Fäusten und öffnete sie wieder. Diesen Rhythmus behielt sie bei.
Weifer. Immer weiter. Dem Licht zu, dem Menschen, dem Opfer entgegen, und den Blick dabei nach vorn gerichtet.
Zu stark nach vorn, nicht zu Boden.
An der Wand lehnte die Eisenstange.
Gegen sie trat Susan mit dem rechten Fuß. Die Stange kippte und landete mit einem klirrenden Geräusch auf den Steinboden…
***
Peter Würz war zufrieden. Noch immer zufrieden. Die zweitletzte Konsole hatte er sich vorgenommen und ihre Aufarbeitung bereits geschafft. Es fehlte nur mehr der himmelblaue Anstrich, der dem Möbelstück eine wirklich freundliche Note gab.
Er hatte eine neue Dose Farbe geöffnet. Mit einem Holzscheit rührte er sie um.
Er tat es wie in Gedanken verloren. Dabei überlegte er, ob er nicht das Radio einschalten sollte, aber der Empfang hier unten war nicht so gut, und auf kratzende Begleitgeräusche konnte er verzichten. Also blieb das Radio aus, dafür griff er nach dem Pinsel und tauchte ihn in die fertig gerührte Farbe.
Die Masse lief schlierenartig zusammen. Während Peter Würz rührte, schaute er auf die neben ihm stehende Kommode. Er dachte daran, daß sie zu einem Schlafzimmer gehörte, und diese Farbe erinnerte ihn auch wieder an sein Schlafzimmer, das er einmal mit Germaine, seiner Ehefrau, geteilt hatte.
Mein Gott, wie lange war das her? Zehn Jahre, zwölf?
Peter wußte es nicht einmal genau. Er hatte die Zeit aus seinem Gedächtnis verbannt. Germaine war eines Tages verschwunden, einfach so. Im nachhinein hatte er erfahren müssen, daß es ein Liebhaber aus Marseille gewesen war, dem sie sich angeschlossen hatte. Seit dieser Zeit hatte er nichts mehr von ihr gehört. Und er war aus der Stadt Bern in die Berge gegangen und war froh gewesen, den Job als Hausmeister gefunden zu haben.
Heiraten – wieder heiraten.
Peter Würz hatte einige Male mit dem Gedanken gespielt, mußte sich aber ehrlich eingestehen, daß auch er in den ehelosen Jahren zu einem Eigenbrötler geworden war und es eine Frau nicht leicht mit ihm haben würde.
Eine nochmalige Niederlage wollte er nicht erleben, so war er dann Junggeselle geblieben.
Die Farbe war gut durchgerührt. Er konnte mit dem Anstrich beginnen.
Um den Topf bequem erreichen zu können, stellte Würz ihn auf einen Schemel. Dann brauchte er sich nicht zu bücken.
Da hörte er das Klirren!
Mitten in der Bewegung erstarrte der Hausmeister. Nicht etwa wegen dieses Geräusches, es war einfach so plötzlich gekommen, völlig unerwartet für ihn, und er merkte sehr bald, wie er sich innerlich verkrampfte, dann aufstand, um nachzusehen, wieso dieser Laut im Gang überhaupt hatte entstehen können.
Wenn ihn jemand besuchen wollte, dann meldete er sich normal an und nicht durch ein Klirren.
Er war mißtrauisch geworden.
Als er aufstand, glitt seine Hand nach rechts. Dort hatte er sich Eisenregale hingebaut, in denen Werkzeug lag, und mit der Rechten griff er nach einem langen Schraubenschlüssel.
Er hielt ihn auch umfaßt, als er die Holztür von seiner Werkstatt aufstieß.
***
Für einen Moment nur hatte Susan Carrigan gezögert, als die Stange umgefallen war. Auch sie hatte den Laut gehört, sie ärgerte sich
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