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Angstspiel

Titel: Angstspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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»Habe ich bestellt. Ist nicht rechtzeitig gekommen.« Er winkt ab. Das interessiert ihn überhaupt nicht.
    »Danke für die Torte. Die habt ihr wieder ganz toll hingekriegt«, sagt er. Mein Blick schnellt zu Luise.
    »Das machen Linda und ich doch gerne«, betont sie und schaut mich eiskalt an. Das macht sie nicht für mich. Das macht sie nur für unseren Opa.
    Das Geschnatter um mich fängt mich ein. Es sind keine dicken Seile, die mich festhalten. Da wird kein Netz gesponnen, in das ich mich fallen lassen könnte. Es sind eher dünne Nylonfäden. Aber wenn ich mich nicht bewege, ist es die Illusion von Halt. Es sind die immer gleichen Geschichten. Tausend Mal gehört. Manchmal im Dialog erzählt. Jeder weiß, wann sein Einsatz kommt.
    Opas Kleingartenkumpel packt wieder die Geschichte von der Maulwurfjagd aus, irgendwann in den Siebzigern, und wie sie mit Lärm versucht haben, den Kerl zu vertreiben.
    Tante Mechthild winkt wie immer nach der ersten Tasse Kaffee ab, weil sie sonst abends nicht einschlafen könne. Dafür kippt sie roten Sekt in sich rein und wird immer aufgekratzter.
    Irgendwann fängt Luise an, mit den beiden alten Kollegen von Opa Skat zu spielen. Was sie nicht kann, was die beiden alten Männer aber nicht interessiert. Mama macht dann für alle belegte Brote, die dann Schnittchen heißen. Sie sticht mit einem Glas sogar runde Scheiben aus dem Brot aus, weil sie das vor Kurzem in einer Kochsendung gesehen hat. Später kommt dann noch mal der Rest von der Schwarzwälder Kirsch auf den Tisch, weil mein Opa »so einen süßen Zahn hat«, und um neun Uhr bringt mein Vater alle nach Hause.
    Ich verabschiede mich ebenfalls. Will jetzt nicht mit
Luise und Ma alleine sein. Ich ziehe mich im Dunkeln aus, krieche in mein Bett wie in eine Höhle. Versuche nicht daran zu denken, dass irgendwelche Männer vielleicht gerade sabbernd vor meinem Foto sitzen, immer wieder meine Handynummer anwählen, sich obszöne Dinge vorstellen.
     
    Ich bin spät dran am nächsten Morgen. Umso mehr erschrecke ich mich, als mir an der ersten Straßenecke Julchen den Weg versperrt. Sie lehnt am Auto ihres Bruders.
    Als sie mich sieht, kommt sie mir entgegen.
    »Ich habe seit gestern Mittag ungefähr fünftausend Mal versucht dich zu erreichen. Ich habe dir bestimmt zwanzig Mal gesimst. Warum meldest du dich nicht?«
    Sie klingt echt besorgt und hält mir die Tür von Philipps Wagen auf.
    »Steig ein. Philipp fährt uns. Dann können wir in Ruhe reden.«
    Philipp hält sich zum Gruß die Hand an die Stirn, als ich hinten reinklettere. Julchen kommt mit nach hinten. Ich fühle mich wie im Taxi. Sie hat einen Zettel in der Hand. Er ist zusammengefaltet. Ich weiß trotzdem, was es ist. Ich sehe sie erschrocken an. Gucke wieder zu Philipp. Ich will nicht, dass er auch dieses fiese Foto gesehen hat.
    Julchen winkt ab. »Mach dir deswegen keine Sorgen. Du hast echt andere Probleme.«
    Sie hat recht.
    »Linda, wir müssen jetzt echt was unternehmen. Das geht zu weit.«
    Ich bin ein bisschen erstaunt. Als hätte ich bis jetzt immer gesagt: ach, alles nicht so schlimm. Lass mal.
    »Wir könnten zum Jürgens gehen. Der ist immerhin Vertrauenslehrer. Und Informatik gibt der auch. Der kennt sich mit so Internet-Schweinereien vielleicht aus und kann uns helfen.«

    Dieses »uns« tut gut. Die Idee ist unbrauchbar.
    »Meinst du wirklich, ich sage irgendeinem Pauker, er soll mal ins Netz gehen, um sich da perverse Fotos von mir anzugucken? Das ist nicht dein Ernst.«
    »Ich habe mir schon gedacht, dass du da keinen Bock drauf hast.«
    Julchen lehnt sich zurück.
    »Dann doch Plan A. Ich werde dieses Schwein ködern. Aber dafür musst du mir einfach noch irgendeinen Tipp geben. Wie soll ich ihn sonst auf mich aufmerksam machen? Ich muss irgendwas schreiben oder erwähnen, auf das er anspringt.«
    Ich nicke stumm. Seufze tief. Ist jetzt auch egal.
    »Komm heute Abend zu mir. Dann zeige ich dir alles.«
    »Zeigen?«
    »Ich habe unsere Gespräche ausgedruckt. Du kannst alles lesen. Vielleicht hilft es ja wirklich.«
    Ihr Blick sagt: Warum hat sie das nicht längst erzählt? Warum hat sie mir das nicht längst gegeben? Ihr Mund bleibt stumm. Gott sei Dank.
    Am Nachmittag schaffe ich es erstaunlicherweise, mich auf das Physik-Referat vorzubereiten. Zusammen mit Merlin ackere ich mich durch die Gravitation. Ich weiß nicht, warum Merlin mich als Referatspartner ausgesucht hat. Alles, was mit Physik zu tun hat, versetzt mich in eine Art Wachkoma. Als

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