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Angstspiel

Titel: Angstspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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einen Joghurt.
    »Papa, ihr esst gleich zu Abend«, versuche ich abzulenken. Klappt aber nicht.
    »Erst die Sache mit dem kaputten Fenster, die wir, ehrlich gesagt, immer noch nicht so ganz verstanden haben. Dann ist dein Handy auffallend sorgsam zerstört worden. Die Klamotten, die du gestern zur schmutzigen Wäsche getan hast, sehen aus, als hättest du im Bergwerk gearbeitet. Außerdem isolierst du dich total«, erklärt meine Mutter.
    »Wie schmutzig darf meine Wäsche denn sein, damit sie kein Aufsehen erregt?«, frage ich.
    Sie gehen nicht drauf ein.
    »Du ziehst dich hier total raus. Wirkst total verschreckt und übernächtigt. Wir wollen einfach nur wissen, was mit dir los ist. Warum gehst du auf Tauchstation in letzter Zeit«, schaltet mein Vater sich ein.
    »Ach, es muss schrecklich sein«, tönt es da plötzlich von der Tür.
    Luise lehnt im Rahmen.
    »Da hat man zwei süße kleine Mädels bekommen und kaum sechzehn Jahre später sind diese Mädels plötzlich auch mal ernst und erzählen nicht mehr alles. Da macht man sich natürlich Sorgen, wenn die Kleinen plötzlich Mami und Papi nicht mehr alles sagen.«

    Sie grinst Mama und Papa fett an. Die sind sprachlos und geben zögernd auf.
    Luise hat es mal wieder geschafft. Der erste Druck ist raus. Auf dem Weg zur Garderobe und meiner Jacke kneife ich ihr ein Auge. Sie ist einfach die beste Schwester von allen. Um was Nettes zu tun, denn Mama und Papa tun mir jetzt schon ein bisschen leid, nehme ich den Müll mit raus. Ich habe gerade den Beutel in die Tonne geworfen, als ich aus dem Augenwinkel eine schnelle Bewegung registriere. Kurz darauf fällt drei Häuser weiter eine Mülltonne zu. Ich fummele gerade noch am Reißverschluss meiner Jacke herum, da sehe ich Merlin auf mich zukommen. Er wirkt hektisch.
    »War gerade in der Nähe«, haspelt er. »Vielleicht können wir ja das Referat noch mal durchgehen.«
    »Ich habe leider keine Zeit«, wehre ich ihn ab.
    »Dann nicht«, sagt er und zuckt die Schultern. Er dreht sich um und geht. Ich bleibe einfach stehen. Ich muss in die gleiche Richtung und will nicht mit ihm gehen. Nach ein paar Minuten schlendere ich los. Weiß nicht, warum ich die Tonne aufmache, die vorhin so laut zugefallen ist. Ein Reflex irgendwie. Eine Rose liegt darin. Sie sieht frisch aus. Meine Fantasie hat mich in die schlimmsten Abgründe gejagt. Aber Merlin als Rosenkavalier? Da setzt die Vorstellungskraft aus. Wahrscheinlich hat er irgendeinen Müll weggeworfen und die Blume liegt da schon ewig.
     
    Er ist schon da.
    Ich hatte nicht wirklich daran geglaubt. Oder befürchtet, dass er es nicht ist. Dass mir sofort klar wird, dass dieser »Ghostwriter« auf gar keinen Fall mein »Kaktus« sein kann. »Mein« Kaktus. O Gott. Doch schon nach den ersten Worten von ihm weiß ich es. Er ist es. Vielleicht ist es seine Art, Worte aneinanderzureihen. Vielleicht sind es
die vielen Pünktchen dazwischen. Vielleicht verrät ihn auch diese Traurigkeit. Damit hatte er mich damals gekriegt, glaube ich.
    Julchen hat sich gerade erst angemeldet, da spricht er sie auch schon an.
    Schön, dich hier zu treffen. Man liest so selten in vertrauten Gesichtern.
    Sie dreht sich zu mir um und grinst.
    »Ich glaube, er hat angebissen«, flüstert sie.
    Es ist natürlich Quatsch, dass sie extra leise spricht. Als könnte er uns wirklich hören. Wobei - wer weiß. Er ist der unsichtbare Feind in meinem Leben. Ich kann mich nirgends sicher vor ihm fühlen.
    »Was soll ich ihm schreiben?«, fragt Julchen.
    Dass er sich verpissen soll. Dass er mit diesem Schmalz aufhören soll. Dass er das mieseste, fieseste Wesen ist, das sich der böse Gott ausdenken konnte. Ein Fehler der Natur. Dass er ein armes kleines Würstchen ist, das sich im Dunkeln groß fühlt. Dass er eine verlogene, verstörte Kreatur ist.
    Immer neue, stärkere, wütendere Worte stoßen mir auf. Der Belag auf meiner Zunge wird immer bitterer. Ich spüre beim Atmen, dass ich sauer rieche.
    Julchens Augen ruhen noch immer auf mir. Sie spürt wohl langsam, dass von mir nichts zu erwarten ist.
    »Ich plaudere einfach ein bisschen mit ihm. Ich glaube, der ist echt schreckhaft. Wenn ich jetzt zu forsch bin, vergraulen wir ihn.«
    Schreckhaft. Dieser Sadist.
    Ich nicke nur und gehe erst mal aufs Klo. Ich kann es fast nicht ertragen, zu wissen: Er sitzt jetzt am anderen Ende der Leitung. Geilt sich vielleicht daran auf, dass er ein neues Opfer gefunden hat. Ich könnte jetzt eine Kraulrunde mit Ali gebrauchen.

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