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Angstspiel

Titel: Angstspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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Ali ist tot, ich bin schuld daran, und Julchen ist wegen mir in Gefahr. Was gibt es da zu lachen? Darf ich noch lachen? Ich versuche, den Gedanken beiseitezuschieben. »Warum machst du so was?«, frage ich Luise, um mich abzulenken.
    »Willst du das wirklich wissen? Weil ich gesehen habe, dass sich durch die ganze Flennerei schon meine Tränensäcke vergrößert haben. Ich sehe aus wie Derrick. Den Triumph will ich Paul jetzt nicht gönnen. Dass ich jetzt auch noch schlaff und faltig durch die Welt laufe, das könnte ihm so passen!«
    Sie greift nach einer weiteren Packung, die sie vor sich aufgebaut hat. »Jetzt sind die Haare dran.«
    »Hast du da auch Tränensäcke? Oder hast du plötzlich Schuppen, nur weil Paul sich aus dem Staub gemacht hat? Das wäre ja mal eine besondere Form des Liebeskummers.«
    »Ich will einfach nicht aussehen wie eine Restmülltonne, wenn wir uns mal zufällig begegnen.«
    Sie tippt mit einem Finger auf meinen Brustkorb: »Und ganz ehrlich, du siehst auch wie eine Leiche aus. Ein bisschen mehr Glanz in den Haaren würde auch dir ganz guttun.«
    Guttun. Mir würde was ganz anderes guttun. Aber vielleicht auch einfach eine kleine Ablenkung. Eine Viertelstunde später bereue ich dieses Ablenkungsmanöver. Ich
habe mir wie Luise eine eklige Matschepampe auf den Kopf geschmiert. Eine Henna-Glanzkur. Also so einen richtigen Öko-Mist. Weil das Ganze besser wirken soll, wenn es warm gehalten wird, hat Luise erst sich und dann auch mir mehrere Meter Alufolie um den Kopf gewickelt. Wir sehen aus wie eine Mischung aus Roboterbausatz und misslungenem Karnevalskostüm. Dabei stinkt das Ganze wie Kuhdung. Bio eben.
    »Wie lange muss das jetzt einwirken?«, frage ich vorsichtig.
    »Halbe Stunde nur«, antwortet Luise.
    Eine halbe Stunde! Mit Chemie kriege ich in zehn Minuten eine gänzlich andere Haarfarbe hin, nicht nur ein bisschen mehr Glanz. Und ganz ohne das Gefühl, als ob ich in eine Jauchegrube gefallen wäre.
    »Komm, in der Zwischenzeit kümmern wir uns um die Fingernägel«, schlägt Luise vor. Ich glaube, sie hat ein komplettes Monatseinkommen im Drogeriemarkt gelassen. Sie holt das ganze Programm aus einer Tüte. Wachs für die Nagelhaut. Grundierungslack. Dekolack. Glitzersteine und eine Glasfeile! Wahnsinn. Luise steigert sich von Nagel zu Nagel. Sie zaubert mir kleine wundervolle Kunstwerke auf die Finger. Ich würde mir am liebsten durchsichtige Handschuhe über die Hände stülpen. Ich glaube es nicht. Kann das Leben schön sein? Darf ich das genießen? Ich muss es genießen, es ist wunderbar. Luise und ich. Und die Kunstwerke auf meinen Nägeln. Ich bin entzückt.
    »Schuhe aus, Socken aus«, befiehlt sie anschließend.
    Ganz konzentriert macht sie sich über meine Zehen her. Ich muss mich total konzentrieren, nicht zu kichern. Als sie endlich fertig ist, stehen auf meinen Zehennägeln ein U, ein N, ein T, ein E und ein N.
    UNTEN.

    Ich pruste gegen meinen Willen los.
    »Was soll das?«, frage ich sie atemlos vor Lachen.
    »Du hast in letzter Zeit immer so den Kopf hängen lassen, dass man schon gar nicht mehr wusste, wo oben und wo unten ist«, sagt sie grinsend.
    »Bei dir kannst du ja dann VORNE draufschreiben, was?«
    »Wieso?«
    »Wo du bist, ist doch immer vorne, oder etwa nicht?«
    Sie strahlt mich an. »Du bist so schlau, du musst meine Schwester sein …«
     
    Später, als der Lack getrocknet und wir uns den Dungmist vom Kopf gewaschen haben, fragt Luise mich plötzlich ein bisschen aufgeregt: »Soll ich dir mal zeigen, was ich letzte Nacht gemacht habe?«
    »Auf jeden Fall.«
    »Dann komm mal mit.«
    An ihrem Schreibtisch startet Luise ihren Laptop und einen Film. Sie macht eine Ausbildung zur Mediengestalterin und so was gehört wohl auch dazu. Sicher bin ich nicht. Sie hat noch nicht so viel erzählt, und ich habe noch nicht so viel gefragt. Der Film beginnt mit einem Bild von Paul.
    Ich verdrehe die Augen. »Musstest du einen Werbefilm für ein Brechmittel machen, oder was?«
    »Nee. Einen Film zum Thema ›heiß‹.«
    »Und da denkst du an Paul?«
    »Warte es doch mal ab!«
    Dieser langweilige Streifen zeigt erst mal nur Paul. Einen grinsenden Paul am Strand. Plötzlich entdecke ich einen kleinen schwarzen Flecken auf seinem Rücken. Der schwarze Fleck wird schnell größer. Man sieht erst kleine, dann immer größer werdende züngelnde Flammen. Das
Feuer frisst sich in Pauls Rücken. Sein Körper lodert. Sein Grinsen wirkt dazu völlig bescheuert. Das Ganze

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