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AnidA - Trilogie (komplett)

AnidA - Trilogie (komplett)

Titel: AnidA - Trilogie (komplett) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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entgegen. Jinqx hockte sich in die Mitte des Raumes und betrachtete nacheinander die Anwesenden. Der Mantel mit den dunklen Blutflecken war über und über mit Mist verkrustet, und in Jinqx' krausem Haar hing Stroh. Ihre bloßen Füße starrten vor Schmutz, Hände und Gesicht trugen immer noch Spuren des getrockneten Blutes. Dennoch beherrschte ihre kompakte Gestalt den Raum und degradierte alle anderen Anwesenden zu beinahe körperlosen Figuren. Selbst meine große Tante verblasste nahezu vor der machtvollen Dunkelheit, die wie ein schwarzes Loch das Zentrum des Nestes ausfüllte. Das war es wohl, was Jinqx vor allem ausmachte, sie schien erheblich mehr Substanz zu besitzen als jede andere und brauchte gleichzeitig nicht durch irgendwelche Handlungen einen Beweis für ihre Existenz zu liefern: Sie war einfach ganz und gar da.
    »Nestälteste?«, fragte sie und begann, ihre Pfeife zu stopfen. Ihre dunklen Augen ruhten mit der ihnen stets innewohnenden Belustigung auf Tallis.
    Meine alte Freundin hob ihre Hände und zischte leise und erbost. »Du hast gehört, was meine Schwestern gesagt haben.«
    Jinqx schloss die Lippen um das Mundstück der kleinen Pfeife und musterte wieder die anderen Grennach. Die alten Frauen wirkten gleichzeitig mürrisch und verängstigt, wie Kinder, die den Tadel einer strengen Lehrerin erwarteten. Ich warf einen Seitenblick zu meiner Tante, die mit verschränkten Armen an der Wand lehnte. Sie schien zu dem Schluss gekommen zu sein, dass sie hier und jetzt nichts weiter ausrichten konnte, und beobachtete wie ich das Schauspiel.
    Jinqx stieß gemächlich eine Rauchwolke aus und nahm die Pfeife aus dem Mund. Sie stocherte mit dem Finger darin herum und schob sie wieder zwischen ihre kräftigen weißen Zähne. Dann kratzte sie sich ausgiebig am Bauch und paffte wieder einige bläuliche Wölkchen. Die Ältesten begannen unruhig hin und her zu rutschen.
    »Jinqx«, setzte eine von ihnen an und warf Tallis einen flehenden Blick zu, den diese ungerührt erwiderte. »Jinqx, du wirst doch verstehen, dass wir Ter'briach nicht einfach so hergeben können. Wer ist dieses junge Ding, das ihre Hüterin sein soll? Wir kennen sie nicht. Wir wissen nicht, ob sie das Herz der Erde für uns bewahren kann ...«
    Jinqx schnaubte, und die alte Grennach verstummte hilflos. »Ihr wollt Ter'briach lieber selbst hüten?«, fragte Jinqx. Die Ältesten wechselten unbehagliche Blicke. Dann raffte sich die erste Sprecherin, Kallis, wieder zu einer Entgegnung auf.
    »Wir werden Ter'briach wieder selbst hüten«, sagte sie entschlossen. Die anderen raunten erregt. Tallis schlug erbittert die Hände ineinander, aber sie schwieg.
    Jinqx blinzelte spöttisch. »Helft mir, mich zu erinnern«, sagte sie sanft. Mirin, der Tlen-na'Tian, rührte sich zum ersten Mal und setzte sich aufrechter hin. »Keine von euch war bereit, Ter'briach zu tragen, das Herz, das schwerer wiegt als seine Schwestern. Nicht eine von euch hatte die Kraft, das Herz der Erde zu hüten, die ewige Last von Ter'briach zu ertragen. Nicht eine von euch, Nestälteste.« Sie blickte die Grennach der Reihe nach an, und alle schlugen die Augen nieder. Nur Tallis stand da, ein triumphierendes und gleichzeitig trauriges Glimmen in den Augen.
    »Wir haben es versucht«, sagte sie weich. »Alle haben wir es versucht, und keine von uns konnte Ter'briach meistern. Wir sind nicht wie unsere Vorfahren, wir sind schwächer geworden, der alten Kräfte nicht mehr in dem Maße mächtig, wie unsere Ahninnen es einst waren.« Sie blickte Ylenia traurig an. »Eine der Töchter gab uns weisen Rat, Nestschwestern. Eine Tochter, die nicht von unserem Fleische ist, aber im Geiste die Würdigste von allen. Und wir beschlossen, dem Rat zu folgen.« Tallis sah langsam in die Runde. Die Ältesten wirkten nachdenklich, die eine oder andere begann leise und zweifelnd zu nicken.
    Jinqx legte ihre groben Hände auf die Knie, die Handflächen nach oben gekehrt. »Adina ist Ter'firans Trägerin«, sagte sie. »Ihre Schwester Anida hütet Ter'garann und Ter'samas. Zwei Schwestern aus dem Menschengeschlecht, Spiegelschwestern. Und sie hüten Kleinodien, die seit Äonen getrennt und verloren waren. ›Schloss und Schlüssel finden, was verborgen war‹ «, zitierte sie leise.
    Einige der Ältesten seufzten. Kallis allerdings schien immer noch nicht überzeugt zu sein.
    »Es ist falsch«, sagte sie heftig. »Es war damals schon falsch, Ter'briach aus den Händen zu geben. Wir hätten uns mehr

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