Anita Blake 02 - Bllutroter Mond
»Sie sind der Reporter, der um ein Interview mit mir gebeten hat.« »Ja, der bin ich.« Irving klang nur eine Winzigkeit nervös, mehr nicht, nur eine Spur Anspannung lag in seiner Stimme. Er wirkte tapfer und entschlossen. Gut für Irving.
»Vielleicht werde ich Ihnen ein Interview gewähren, wenn ich mit dieser hübschen jungen Frau gesprochen habe.« »Wirklich?« Sein Erstaunen kam unverblümt. Er grinste mich breit an. »Das wäre großartig. Ich mache es genauso, wie Sie wollen. Es...« »Still.« Das Wort zischte und schwebte. Irving verfiel in Schweigen, als wäre es ein Zauberspruch gewesen.
»Irving, geht es Ihnen gut?« Seltsam, dass ich fragte. Ich war diejenige, die Auge in Auge mit einem Vampir stand, aber ich wollte es trotzdem wissen. »Ja«, sagte Irving. Das eine Wort kam angstvoll gequetscht. »Ich habe nur noch nie so etwas wie ihn gefühlt.«
Ich blickte zu Jean-Claudes Gesicht auf. »Ja, er ist geradezu einmalig.«
Jean-Claude wandte mir seine Aufmerksamkeit wieder zu. Ach prima. »Noch immer zu Scherzen aufgelegt, ma petite.« Ich schaute in seine schönen Augen, aber es waren nur Augen. Er hatte mir die Macht gegeben, ihnen standzuhalten. »Das ist eine Art, sich die Zeit zu vertreiben. Was wollen Sie von mir, Jean-Claude?«
»So tapfer, selbst jetzt.«
»Sie werden mich nicht auf der Straße umbringen, vor Zeugen. Sie sind vielleicht der neue Meister, aber Sie sind auch Geschäftsmann. Sie gehören zu den Anständigen. Im Rahmen Ihrer Möglichkeiten.«
»Nur in der Öffentlichkeit«, sagte er so leise, dass nur ich ihn hören konnte.
»Schön, aber wir sind uns beide einig, dass Sie nicht hier und jetzt Gewalt anwenden werden.« Ich sah ihm ins Gesicht. »Also lassen Sie das Theater und sagen Sie mir, was zum Teufel Sie wollen.«
Darauf lächelte er, ein bloßes Verziehen der Lippen, aber er ließ mich los und trat zurück. »Ebenso wenig wie Sie mich ohne Anlass auf der Straße niederschießen werden.«
Ich dachte, ich hätte Anlass genug, nur keinen, den ich der Polizei erklären könnte. »Das ist wahr, ich will nicht wegen Mordes vor Gericht kommen.« Sein Lächeln wurde breiter, noch immer keine Reißzähne. Das konnte er besser als jeder lebende Vampir, den ich kannte. War »lebender Vampir« ein Widerspruch? Ich war mir nicht mehr sicher.
»Wir werden also einander in der Öffentlichkeit nichts tun«, stellte er fest. »Wahrscheinlich nicht«, stimmte ich zu. »Was wollen Sie? Ich komme zu spät zu einem Termin.« »Wecken Sie heute Nacht Tote auf, oder erschlagen Sie Vampire?« »Weder noch«, antwortete ich.
Er sah mich an, wartete, dass ich mehr dazu sagte. Das tat ich nicht. Er zuckte die Achseln, und es gelang graziös. »Sie sind mein menschlicher Diener, Anita.«
Er gebrauchte meinen richtigen Namen. Ich wusste, jetzt war ich in Schwierigkeiten. »Bin ich nicht«, widersprach ich. Er gab einen langen Seufzer von sich. »Sie tragen zwei meiner Zeichen.« »Nicht freiwillig«, sagte ich.
»Sie wären gestorben, wenn ich Ihnen nicht etwas von meiner Kraft gegeben hätte.«
»Kommen Sie mir nicht mit dem Blödsinn, wie Sie mir das Leben gerettet haben. Sie haben mir zwei Zeichen aufgezwungen. Sie haben weder gefragt noch etwas erklärt. Das erste Zeichen mag mir das Leben gerettet haben, prima. Aber das zweite hat Ihres gerettet. Ich hatte gar keine Wahl, weder das eine noch das andere Mal.«
»Noch zwei Zeichen, und Sie haben die Unsterblichkeit. Sie werden nicht altern, weil ich nicht altere. Sie bleiben ein Mensch, bleiben lebendig, können weiter Ihr Kruzifix tragen. In die Kirche gehen. Es schadet Ihrer Seele nicht. Warum wehren Sie mich ab?«
»Woher wollen Sie wissen, was meiner Seele schadet? Sie haben keine mehr. Sie haben Ihre unsterbliche Seele für irdische Unsterblichkeit verkauft. Aber ich weiß, dass Vampire sterben können, Jean-Claude. Was passiert, wenn Sie sterben? Wohin gehen Sie dann? Lösen Sie sich einfach in nichts auf? Nein, Sie fahren zur Hölle, wohin Sie gehören.«
»Und Sie meinen, weil Sie mein menschlicher Diener sind, werden Sie mit mir dahin gehen?« »Ich weiß es nicht, und ich will es nicht herausfinden.« »Wenn Sie sich mir widersetzen, erscheine ich schwach. Das kann ich mir nicht leisten, ma petite. Auf die eine oder andere Art müssen wir das Problem lösen.«
»Lassen Sie mich doch einfach in Ruhe.« »Das kann ich nicht. Sie sind mein menschlicher
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