Anita Blake 02 - Bllutroter Mond
aus.
John Burke hatte meinen Anruf nicht erwidert. Vielleicht war ich zu hintergründig gewesen. Ich würde es später mit einer unverblümteren Nachricht versuchen. Aber im Augenblick hatte ich mich um erfreulichere Dinge zu kümmern.
Ich war fürs joggen angezogen. Dunkelblaue Shorts mit weißen Paspeln, weiße Nikes mit hellblauem Logo, niedliche kurze Socken und ein ärmelloses T-Shirt. Die Shorts hatten so eine Innentasche mit Klettverschluss. Darin hatte ich einen Derringer. Einen American Derringer, um genau zu sein; 1$4 Gramm, .38 Special, Gesamtlänge 122 Millimeter. Damit war er so leicht wie eine Hand voll Federn.
Eine Klettverschlusstasche war für eine schnelle Reaktion nicht gerade förderlich. Zwei Schuss, und Spucken wäre auf Entfernung treffsicherer, aber andererseits wollten mich Gaynors Männer ja nicht umbringen. Verletzen, aber nicht umbringen. Sie müssten nah an mich herankommen, um mir etwas tun zu können. So nah, dass ich den Derringer einsetzen konnte. Klar, es waren nur zwei Schuss. Danach wäre ich in Schwierigkeiten.
Ich hatte nach einer Möglichkeit gesucht, eine von meinen 9-mm-Pistolen mitnehmen zu können. Aber es gab keine. Ich konnte nicht joggen und so viel Feuerkraft mit mir herumschleppen. Lauter Entscheidungen.
Veronica Sims stand in meinem Wohnzimmer. Ronnie ist einsneunundsiebzig, hat blonde Haare und graue Augen. Sie ist Privatdetektivin und arbeitet auf Honorar für Animators, Inc. Wir trainieren zusammen zweimal pro Woche, es sei denn, eine von uns ist verreist, verletzt oder steht bis zum Hals in Vampiren. Wobei Letztgenanntes häufiger der Fall ist, als mir lieb ist.
Sie trug französisch geschnittene, dunkelrote Shorts und ein T-Shirt, auf dem stand: »Außer einem Hund ist das Buch der beste Freund des Menschen. In einem Hund ist es zum Lesen zu dunkel.« Es hat Gründe, warum Ronnie und ich Freunde sind.
»Ich habe dich am Donnerstag im Sportcenter vermisst«, sagte sie. »War die Beerdigung schlimm?« »Ja,« ,Sie bat mich nicht, es auszuführen. Sie weiß, dass Beerdigungen nicht gerade mein Ding sind. Den meisten Leuten sind sie wegen des Toten unangenehm. Mir ist der ganze gefühlsselige Mist zuwider.
Sie dehnte ihre langen Beine parallel zum Oberkörper, dicht über dem Boden, in einer Art Streckhocke. Das Aufwärmen erledigen wir immer bei mir zu Hause. Die Dehnübungen sind für knappe Shorts meistens ungeeignet.
Ich wiederholte ihre Bewegungen spiegelgleich. Die Muskeln im Oberschenkel protestierten. Der Derringer war ein bisschen unbequem, aber erträglich.
»Aus reiner Neugier«, sagte Ronnie, »warum hältst du es für nötig, eine Pistole mitzunehmen?« »Ich trage immer eine Pistole«, antwortete ich. Empörung. Wenn Sie sah mich nur an, im Blick die reine Empörung..
» Wenn du es mir nicht sagen willst, dann tu es nicht, aber komm mir nicht mit irgendwelchem Blödsinn.« »Schon gut, schon gut«, sagte ich. »Seltsam genug, dass mir niemand gesagt hat, ich darf's keinem erzählen.« »Wie, keine Drohungen, dass du nicht zur Polizei gehen darfst?«, fragte sie.
»Nein.« »Meine Güte, ist ja furchtbar nett.«
»Nicht nett«, sagte ich, die Beine gespreizt und flach auf dem Boden sitzend. Ronnie machte es mir nach. Es sah aus, als wollten wir gleich einen Ball zwischen uns hin und herrollen. »Überhaupt nicht nett.« Ich beugte den Oberkörper über das linke Bein, bis ich es mit der Wange berührte.
»Erzähl mir davon«, bat sie. Ich tat es. Als ich fertig war, hatten wir uns aufgewärmt, sodass wir loslaufen konnten.
»Scheiße, Anita. Zombies in deinem Apartment und ein verrückter Millionär, der dich bedrängt, ein Menschenopfer für ihn zu verrichten.« Ihre grauen Augen suchten meinen Blick. »Du bist der einzige Mensch, den ich kenne, der verrücktere Probleme hat als ich.«
»Vielen Dank«, sagte ich. Ich schloss die Tür hinter uns ab und steckte die Schlüssel zu dem Derringer in die Tasche. Er werde höllisch zerkratzt werden, aber was sollte ich dagegen tun? Mit den Schlüsseln in der Hand joggen?
»Harold Gaynor. Ich könnte ihn für dich ein bisschen überprüfen.« »Arbeitest du an keinem Fall?« Wir trampelten die Treppen hinunter. »Ich habe mit drei verschiedenen Versicherungsdingern zu tun. Hauptsächlich Überwachung und Fotografieren.Wenn ich nur noch eine Fastfoodmahlzeit essen muss, fange ich an, Werbesongs zu singen.«
Ich schmunzelte.
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