Anita Blake 03 - Zirkus der Versammten
schnell, als dass ich etwas hätte tun können. Sie schlug auf die Windschutzscheibe auf, es gab einen scharfen Knacklaut, das Metall kreischte.
Ein Netz von Sprüngen überzog die Scheibe. Ich blickte plötzlich durch das verkehrte Ende eines gesplitterten Fernglases. Das Sicherheitsglas hatte seine Aufgabe erfüllt. Es war nicht auseinander gebrochen und hatte uns nicht in Streifen zerteilt. Es war nur denkbar dicht gesprungen, und ich konnte nicht mehr sehen, wohin ich fuhr. Ich stampfte auf die Bremse.
Ein Arm schoss durch das Glas, es regnete Splitter auf Larry. Er schrie. Die Hand schloss sich um sein Hemd und wollte ihn durch die spitzen Zähne der Windschutzscheibe ziehen.
Ich lenkte so scharf wie möglich nach links. Der Wagen brach aus, und ich konnte nichts anderes mehr tun, als das Gas wegzunehmen, die Bremse nicht anzutasten und zu steuern. Larry klammerte sich verzweifelt an Türgriff und Kopfstütze fest. Er schrie und kämpfte, nicht durch das gezackte
Loch der Scheibe gezerrt zu werden. Ich sprach ein rasches Gebet und ließ das Lenkrad los. Der Wagen drehte sich hilflos im Kreis. Ich presste ein Kreuz auf die Faust. Sie rauchte und schlug Blasen, dann ließ sie Larry los und verschwand aus dem Loch.
Ich packte das Lenkrad, aber es war ein bisschen zu spät. Der Wagen landete im Graben und legte sich auf die Seite. Das Metall kreischte, als unter dem Wagen etwas brach, etwas Großes. Ich wurde gegen die Wagentür geschleudert. Larry befand sich plötzlich auf mir, dann wurden wir zusammen auf die andere Seite geworfen. Dann war es vorbei. Die Stille wirkte beunruhigend. Es war, als wäre man taub geworden. Ich hatte ein großes weißes Rauschen in den Ohren.
Jemand sagte »Gott sei Dank«, und das war ich.
Die Beifahrertür wurde geknackt wie eine Nussschale. Ich kroch von der Öffnung zurück. Larry konnte nirgends hin und starrte nur. Er wurde aus dem Wagen gerissen. Ich ließ mich auf den Boden hinab und zielte dahin, wo Larry verschwunden war.
Ich blickte auf Larrys Körper, den eine dunkle Hand so fest um den Hals gepackt hielt, dass ich mich fragte, ob er noch Luft bekam. Ich blickte am Lauf meiner Pistole entlang in das dunkle Gesicht des Vampirs Alejandro. Seine Miene war unergründlich, als er sagte: »Ich werde ihm die Kehle rausreißen.«
»Ich werde Ihnen den Kopf wegpusten«, erwiderte ich. Eine Hand griff angelnd durch das Loch in der Frontscheibe. »Zurück oder Sie verlieren Ihr hübsches Gesicht.«
»Er stirbt zuerst«, sagte der Vampir.-Aber die Hand zog sich aus dem Loch zurück. In seiner Aussprache klang eine fremde Sprache an. Die Erregung brachte einen Akzent an den Tag.
Larrys Augen zeigten viel zu viel Weiß. Er hyperventilierte. Ihm würde schwindlig werden. Sofern er noch so lange lebte.
»Entscheide dich«, befahl der Vampir. Seine Stimme war tonlos, nichts schwang mit. Larrys schreckgeweitete Augen waren beredt genug für beide.
Ich sicherte die Pistole und übergab sie mit dem Griff voran der ausgestreckten Hand. Das war ein Fehler, ich wusste es, aber ich wusste auch, dass ich nicht hier sitzen und zusehen konnte, wie Larry die Kehle rausgerissen wurde. Es gibt ein paar Dinge, die wichtiger sind als das physische Überleben. Man muss sich selbst ins Gesicht sehen können. Ich gab die Waffe aus demselben Grund her, aus dem ich mich um das Kind hatte kümmern wollen. Da gab es keine Wahl. Ich gehörte zu den Guten. Und die waren aufopferungsvoll. Das war gewissermaßen eine Regel.
23
Larrys Gesicht war eine blutige Maske. Kein einziger Schnitt schien ernst zu sein, aber nichts blutet so stark wie eine seichte Kopfwunde. Sicherheitsglas war nicht vampirsicher gemacht. Vielleicht sollte ich hinschreiben und den Vorschlag machen.
Von Alejandros Hand tropfte Blut, und er hielt Larry weiter an der Kehle gepackt. Der Vampir hatte sich die Pistole hinten in den Hosenbund gesteckt. Er ging damit um, als kennte er sich aus. Schade. Manche Vampire waren technophob. Das verschaffte mir gelegentlich einen Vorteil.
Larrys Blut rann herab. Klebrig und warm wie fest werdende Götterspeise. Der Vampir reagierte nicht auf das Blut. Eiserne Selbstbeherrschung. Ich blickte in die fast schwarzen Augen und spürte den Sog der Jahrhunderte, als ob sich monströse Schwingen darin entfalteten. Die Welt verschwamm. Das Innere meines Kopfes sank und dehnte sich aus. Ich griff aus, um nicht zu fallen. Eine Hand
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