Anita Blake 06 - Tanz der Toten
für mich da zu sein. Jean-Claude und verlässlich? Ich musste erschöpfter sein, als mir klar war.
39
Jean-Claude öffnete die Tür, betrat sein Schlafzimmer und winkte mich mit schwungvoller Geste herein. Beim Anblick des Bettes stockte ich. Das Bettzeug war anders. Rotes Laken, rote Decke. Rote Vorhänge bildeten einen Himmel über dem fast schwarzen Holz. Es lagen nach wie vor ein Dutzend Kissen auf dem Bett und alle in einem grellen, glänzenden Rot. Selbst nach dem Abend, den ich erlebt hatte, ein Blickfang.
»Ich glaube, das gefällt mir.« »Hier musste mal andere Wäsche her. Du hast dich immer beklagt, ich sollte mehr Farbe verwenden.« Ich starrte das Bett an. »Ich werde aufhören, mich zu beklagen.«
»Ich lasse dir ein Bad ein.« Er ging ohne einen einzigen Witz, ohne eine schlüpfrige Bemerkung ins Badezimmer. Es war schon beinahe nervtötend.
Wer die Wäsche gewechselt hatte, hatte auch die Stühle weggeräumt, auf denen Edward und Harley gesessen hatten. Ich wollte mich mit dem Zeug, das an mir klebte, nicht auf das frische Bettzeug setzen. Ich setzte mich auf den weißen Teppich und versuchte, nicht zu denken. Nicht denken ist viel schwerer, als es sich anhört. Meine Gedanken drehten sich im Kreis, wie ein Werwolf, der nach seinem Schwanz schnappt. Der Vergleich entrang mir ein Lachen, und am Ende klang es wie Schluchzen oder wie Stöhnen. Ich hielt mir den Mund zu. Ich wollte nicht, dass ich solche Laute von mir gab. Es klang so hoffnungslos, so als wäre ich erledigt.
Ich war nicht erledigt, verdammt, aber ich war verletzt. Wenn das, was ich fühlte, eine wirkliche Wunde gewesen wäre, dann wäre ich daran verblutet.
Die Badezimmertür öffnete sich schließlich. Jean-Claude brachte eine Wolke feuchtwarmer Luft mit. Er hatte sich das Hemd ausgezogen, und die kreuzförmige Narbe ruinierte die Makellosigkeit seiner nackten Brust. In der einen Hand hielt er seine Stiefel, in der anderen ein scharlachrotes Handtuch.
»Ich habe mich am Waschbecken gewaschen, solange das Badewasser einlief.« Er ging barfuß über den weißen Teppichboden. »Ich fürchte, ich habe das letzte saubere Handtuch genommen. Ich gehe und hole noch welche.«
Ich nahm die Hand vom Mund und nickte. »Gut«, brachte ich schließlich hervor.
Ich stand auf, bevor er mir die Hand hinhielt. Ich brauchte keine Hilfe.
Jean-Claude stand neben mir. Seine schwarzen Haare lagen in krausen Locken auf seinen blassen Schultern, kraus von der Feuchtigkeit des Badezimmers. Ich ignorierte ihn so weit, wie es menschenmöglich war, und ging ins Bad.
Es war warm und dunstig darin, die schwarze Wanne voller Schaum. Er bot mir ein schwarzes Lacktablett von der Frisierkommode an. Shampoo, Seife, Badesalz und Öle standen darauf.
»Geh, damit ich mich ausziehen kann.«
»Heute Abend waren zwei Leute nötig, um dich anzukleiden, ma petite. Wirst du keine Hilfe beim Ausziehen brauchen?« Seine Stimme war vollkommen neutral, sein Gesicht so unbewegt, die Augen so unschuldig, dass ich lächeln musste.
Ich seufzte. »Wenn du die zwei Riemen am Rücken öffnest, werde ich den Rest wohl schaffen. Aber keine krummen Touren.« Ich hielt mir vorne den BH fest, weil einer der Riemen ihn öffnen würde. Der andere war, soweit ich mitbekommen hatte, der entscheidende Halt für den Rest.
Seine Finger griffen an den oberen Riemen. Ich beobachtete ihn in dem leicht beschlagenen Spiegel. Der Riemen wurde aufgeschnallt, und das Leder gab mit einem leisen Geräusch nach. Jean-Claude nahm sich des zweiten Riemens an, ohne die geringste Zärtlichkeit. Er löste ihn und trat einen Schritt zurück. »Keine krummen Touren, ma petite.« Er verließ das Bad, und in dem vernebelten Spiegel sah ich ihn verschwinden wie ein Phantom. Als die Tür zu war, machte ich mich an die restlichen Riemen. Das klebrige Zeug loszuwerden kam einer Häutung nahe.
Ich stellte das Tablett mit den Waschutensilien auf den Wannenrand und stieg ins Wasser. Es war heiß, ganz knapp an zu heiß. Ich legte mich bis zum Kinn hinein, aber ich konnte mich nicht entspannen. Zuerst musste das Klebezeug von mir runter. Ich setzte mich auf und begann mich abzuschrubben. Die Seife roch nach Gardenien. Das Shampoo roch nach Kräutern. Sah Jean-Claude ähnlich, dass er nichts aus dem Supermarkt kaufte.
Ich wusch mir die Haare zweimal, tauchte unter Wasser und kam luftschnappend hoch. Ich war gewaschen und rein, oder zumindest
Weitere Kostenlose Bücher